© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/00 10. März 2000

 
Gewalt: Sudetendeutsche Gedenkveranstaltung in Erfurt massiv gestört
"Alles nur alte Nazi-Schweine"
Jörg Fischer

Bei dem alljährlichen Gedenken an die Märzgefallenen – der im Jahre 1919 vom tschechischen Militär im Rahmen einer friedlichen Demonstration erschossenen Deutschen – kam es am vergangenen Wochenende in Erfurt zu unerhörten Zwischenfällen. Als am Samstagnachmittag Herr Fluke, Vorsitzender der Landesgruppe der Sudetendeutschen im Bund der Vertriebenen (BdV), am Mahnmal für die Opfer von Flucht und Vertreibung auf dem Hauptfriedhof mit etwa 50 Landsleuten Kränze niederlegen wollte, traf sie der Schock: Unbekannte hatten in der Nacht zuvor den Steinsockel des 1994 eingeweihten Denkmals mit weißer Farbe und der unvollendeten Parole "Nie wie.." beschmiert, die 14 Wappen der deutschen Ostprovinzen gewaltsam entfernt, fünf Tafeln gestohlen und neun stark beschädigt ins Gebüsch geworfen – die Täter wurden offenbar gestört. Dies ist der erste Anschlag auf das Vertriebenendenkmal in der thüringischen Landeshauptstadt, an dem jährlich zum Europatag – dem 5. Mai – die zentrale Gedenkveranstaltung des BdV-Landesverbandes stattfindet.

Doch diese Schandtat war noch nicht genug. Zwei "gepiercte" Jungen und ein Mädchen, mit Ringen in Nasen und Augenlidern, schwarzen Sonnenbrillen und provozierenden Grinsen störten die Gedenkveranstaltung. Die drei – laut Polizeiangaben zwischen 19 und 21 Jahre alt und "augenscheinlich der linken Szene zuzuordnen" – pöbelten: "Ihr seid doch alles nur alte Nazi-Schweine" sowie andere Verleumdungen. Sie wurden von einer Zivilstreife in Gewahrsam genommen und anschließend von der Polizei vernommen. Teilnehmer der Gedenkveranstaltung und Vertreter des BdV haben Strafantrag wegen Störung der Totenruhe und Sachbeschädigung gegen die Täter gestellt. Laut Polizeiangaben ist einer der Provokateure schon "polizeibekannt", wegen Hausfriedensbruch und Verstoß gegen das Zivildienstgesetz. Ob die drei auch für die Denkmalsschändung verantwortlich sind, konnte die Polizei in der thüringischen Landeshauptstadt noch nicht abschließend klären. Die Kriminalpolizei ermittle in beiden Fällen, teilte Manfred Rocho, Pressesprecher der Polizeidirektion Erfurt auf Anfrage mit.

Zehn Jahre gab es keine Gewaltaktionen gegen Heimatvertriebene in Erfurt, es war – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – äußerst friedlich. Doch seit Anfang dieses Jahres ist das anders, und der jetzige Vorgang ist ein trauriger Höhepunkt in den Aktionen linker Gruppen gegen den BdV in Thüringen. Es begann Anfang Januar damit, daß die Sichtscheibe im Erfurter BdV-Ausstellungsraum eingeschlagen wurde. Anschließend wurden Scheiben zuplakatiert und Müllkübel vor der Geschäftsstelle ausgekippt. Die Täter konnten bislang nicht dingfest gemacht werden.

Es stellt sich die Frage, warum gerade jetzt solche Gewaltaktionen initiert werden. Die drei Festgenommen waren sicher keine Einzeltäter. Nach Ansicht von Paul Latussek, Landesvorsitzender des BdV in Thüringen, könnte ein Zusammenhang zwischen den linken Gewaltaktionen und einer für den 1. April geplanten Veranstaltung des "Jenaer Forums für Bildung und Wissenschaft e.V." im Erfurter Haus Dacheröden bestehen. Hier wollen im Rahmen eines Seminars mit dem Titel "Vertriebenenpolitik von Links – zwischen Ablehnung und Hinwendung" unter anderem die Bundestagsabgeordneten Annelie Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen) und Ulla Jelpke (PDS) unter Leitung des Historikers Manfred Weißbecker – Vorstandsvorsitzender des Vereins – mit Heimatvertriebenen diskutieren.

Die 45jährige Annelie Buntenbach ist von Beruf Lehrerin, kommt aus Nordrhein-Westfalen, ist seit 1982 bei den Grünen, und arbeitet laut eigenen Angaben seit 1984 in "verschiedenen Antifa-Initiativen" mit. Die 48jährige Hamburgerin Ulla Jelpke war nach eigenen Angaben als "Linke aktiv in den 68ern, vor allem in der autonomen Frauenbewegung". In den achtziger Jahren war sie Abgeordnete der Grün-Alternativen Liste (GAL) in der Hamburger Bürgerschaft. Seit 1990 sitzt sie im Bundestag. Sie ist Vorsitzende der AG Innenpolitik der PDS-Fraktion.


 
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