© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Megafusionen: Die Globalisierung ist noch nicht an ihre Grenzen gestoßen
Kampf der Kartelle
Michael Wiesberg

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von immer neuen "Megafusionen" oder "Unternehmenskooperationen" die Rede ist. Kündigten gestern noch die alteingesessenen Deutsche und Dresdner Bank an, zu einem gemeinsamen Institut fusionieren zu wollen, ist heute die Rede davon, daß der US-amerikanische Autogigant General Motors eine Kooperation mit dem italienischen Autohersteller Fiat plant. Die internationale Wirtschaft scheint mehr und mehr einem Kasino zu gleichen, in dem statt Chips Aktienpakete hin und her geschoben werden. Die amerikanische Devise "Limits exist only in your mind" scheint globale Bedeutung zu erlangen. Mehr und mehr tritt die weiter voranschreitende internationale Vernetzung der Wirtschaft in eine Phase ein, die der amerikanische Politologe Edward Luttwak in einem seiner neuesten Bücher nicht ohne kritischen Unterton "Turbo-Kapitalismus" genannt hat.

Die derzeitige Fusionswelle ist ein Ergebnis des weltweit betriebenen Abbaus staatlicher Monopole im Zuge der Privatisierungs- und Deregulierungspolitik, verniedlichend auch als "Strukturwandel der Wirtschaft" beschrieben. Dieser Strukturwandel ist der entscheidende Grund für den starken Anpassungsdruck, dem alle Unternehmen, die international mithalten wollen, ausgesetzt sind. Fusionen sind vor diesem Hintergrund einmal eine notwendige strategische Maßnahme für die Erschließung neuer Märkte und zum anderen ein Mittel zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. So begründete der Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Bernhard Walter, den Zusammenschluss von Dresdner und Deutscher Bank damit mit der "deutlich verbesserten Wettbewerbsposition" der beiden Häuser. Und der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Rolf-E. Breuer, unterstrich: "Der vorgeschlagene nationale Zusammenschluss schafft einen echten europäischen Champion mit globaler Reichweite... Durch die gesteigerte Ertragskraft, die deutlich verbreiterte Kapitalbasis und die addierten Reserven der Industriebeteiligungen bauen wir unsere strategische Handlungsfähigkeit im weltweiten Konsolidierungsprozeß aus." Börsen-Analysten scheinen diese Erwartungshaltung zurzeit nur sehr bedingt zu teilen. Bei der Fusion gebe es zunächst zu viele Unsicherheiten, war hier und da zu hören.

In der Tat stellt sich die Frage, ob jede Unternehmensfusion, die in den letzten Monaten getätigt wurde, auch sinnvoll ist. Sinnvoll erscheinen derartige Fusionen in der Regel dann, wenn die betreffenden Unternehmen auf vollständig globalisierten Märkten agieren. Unter vollständig globalisierten Märkten sind Märkte zu verstehen, auf denen Raum- und Grenzüberwindungskosten so weit abgebaut sind, daß den internationalen Güter- und Finanzströmen kaum noch ernsthafte Hindernisse entgegenstehen. Wer wollte bestreiten, daß dieses Kriterium zumindest auf dem Bankensektor gegeben ist? Eine zweite Frage, die sich anschließt, betrifft die Konsequenzen einer Fusion für die Marktstruktur.

Erreicht ein fusioniertes Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung, dann droht die Blockade durch Wettbewerbsprozesse. Diese Gefahr wächst. Zumindest ist mit der Bildung von Oligopolen zu rechnen, wie sie der ehemalige EU-Kommissar van Miert bereits für die Automobilhersteller prophezeit hat. Van Miert geht davon aus, daß nach Ende des laufenden globalen Fusionsprozesses nicht mehr als fünf bis sechs Automobilhersteller übrig bleiben werden.

Diese Entwicklung hat die Forderung nach einem internationalen Instrumentarium aufkommen lassen, mit dem der Herausbildung von Oligo- oder möglicherweise Monopolen entgegengetreten werden kann. Vorbild für ein derartiges internationales Kartellrecht könnte das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sein, das in mancherlei Hinsicht "stilbildend" für das europäische Wettbewerbsrechts geworden ist. An der Notwendigkeit eines internationalen Kartellrechtes jedenfalls kann aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung der Märkte kein Zweifel mehr bestehen.

Bleibt schließlich die Frage nach dem Arbeitsplatzverlusten. Sie werden kommen. Bei Fusionen allerdings, die sich als sinnvoll herausstellen, werden aber auch Arbeitsplätze gesichert, deren Bestand bei einer Nicht-Fusion eher in Frage gestanden hätte. Jede Medaille hat also zwei Seiten. Wichtig ist, beide Seiten zu betrachten und dann zu einem Urteil zu kommen.


 
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