© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000


Umkehr zu Gott
von Klaus Motschmann

Am ersten Sonntag der Fastenzeit im Heiligen Jahr 2000 hat Papst Johannes Paul II. öffentlich Irrtümer, Verfehlungen und Verbrechen der katholischen Kirche im Laufe ihrer 2000jährigen Geschichte bekannt und Gott um Vergebung dieser Sünden gebeten. Im einzelnen nannte der Papst die Kreuzzüge, die Inquisition, die Kirchenspaltungen, die Zwangsmissionierungen, das Verhalten zu den Juden, insbesondere die unzureichende Hilfe während der nationalsozialistischen Verfolgung, sowie Verstöße gegen die Würde der Frauen und fremder Völker.

Dieses Schuldbekenntnis kam nicht überraschend. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) findet in der katholischen Kirche eine intensive Auseinandersetzung über diese dunklen Seiten ihrer Vergangenheit statt. Es besteht weitgehende Übereinstimmung, daß mit diesem "geschichtlich einmaligen Akt" (Bischof Karl Lehmann) ein markanter Meilenstein auf dem langen Weg der Kirche durch die Geschichte gesetzt worden ist, der einen Wendepunkt anzeigt. Doch "Wende" wohin?

An der Antwort auf diese Frage scheiden sich nach bester biblischer Tradition die Geister, wie die sehr unterschiedlichen Reaktionen auf dieses Schuldbekenntnis belegen. Ganz offensichtlich erfüllt es nicht die Erwartungen, weil einige Aussagen fehlen, wonach unseren Vergangenheitsbewältigern "die Ohren jücken (2. Tim. 4,3). Vor allem wird moniert, daß sich der Papst mit diesem Schuldbekenntnis und der Bitte um Vergebung an Gott und nicht an die Menschen gerichtet hat.

Selbstverständlich liegt einem christlichen Schuldbekenntnis das christliche Verständnis der Entstehung und Vergebung menschlicher Schuld zugrunde. Menschliche Schuld hat danach ihren Ursprung immer im Abfall von Gott und im (Irr-)Glauben an menschliche Eigenmacht. Das Bekenntnis der Schuld ist deshalb immer zuerst an Gott zu richten, weil er allein in Jesus Christus die Schuld vergibt. Erst aus der Vergebung der Schuld durch Gott in seinem Sohne Jesus Christus ist wahre Versöhnung möglich. Die Kirche hat bei aller gebotenen Sensibilität und trotz aller Schuld in der Vergangenheit diese Botschaft zu verkündigen und damit jedem politischen Mißbrauch eines zentralen christlichen Begriffs zu wehren – sofern sie nicht neue Schuld auf sich nehmen will.

Das alles mag in unserer säkularisierten Welt sehr unverständlich empfunden werden, wie auch viele Reaktionen auf dieses Schuldbekenntnis zeigen. Aber gerade wenn es um wirkliche Buße wegen begangener und fortwirkender Schuld und um Schuldvergebung geht, kann die christliche Kirche nur auf diesem Wege der Umkehr zu Gott in der Zukunft vorankommen.


 
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