© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Deutsche Einheit: Politiker fordern Errichtung eines Nationaldenkmals
Trauer, Stolz, Freude
Christian Schultz

Hundert Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen, darunter prominente CDU-Parlamentarier wie Angela Merkel, Rita Süssmuth und Rainer Eppelmann, aber auch der SPD- Abgeodnete und frühere DDR-Außenminister Markus Meckel, haben sich einer Initative angeschlossen, die die Errichtung eines "Einheits- und Freiheitsdenkmals" in Berlin fordert. Die Erinnerung an die friedliche Revolution vom Herbst 1989 und die Wiedervereinigung soll mit einem solchen Monument wachgehalten werden. Aber auch die deutsche Revolution von 1848 bezieht der Antrag der Parlamentarier mit ein und sieht im Aufbegehren von 1989 sogar ihre Vollendung. Wohltuend nennt er 1989 den "Sieg der freiheitlichen, demokratischen und nationalen Bewegung".

Zur konkreten Gestaltung werden in dem Antrag noch keine Angaben gemacht. Statt dessen wollen die Initiatoren einen internationalen Ideenwettbewerb unter Künstlern und Architekten unter dem Motto: "Wir sind ein Volk! – Wir sind das Volk!".

Der Ort steht hingegen schon fest: Am Schloßplatz in der Mitte Berlins soll nach den Plänen des Hauptinitators Günter Nooke der Sockel des ehemaligen Reitermonuments Kaiser Wilhelms I. genutzt werden. "Der Sockel harrt einer neuen Bestimmung", heißt es wörtlich und man verweist auf den demokratischen und nationalen genius loci: In der unmittelbaren Nachbarschaft des Ortes hat 1990 die freigewählte Volkskammer den Beitrittsbeschluß zur Bundesrepublik Deutschland gefaßt, im nahen Kronprinzenpalais wurde wenige Tage später der Einigungsvertrag unterschrieben, und vor allem erlebte die Revolution ihre größte Demonstration mit einer Million Menschen im Herbst 1989 auf dem Alexanderplatz nebenan.

Bereits 1998 hatte sich eine "Initiative Deutsche Einheit" mit dem gleichen Vorschlag zu Wort gemeldet. Damals konnten sich die Befürworter eines Nationaldenkmals – unter ihnen der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere, der Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios, Jürgen Engert, sowie der Bürgerrechtler und heutige CDU-Abgeordnete Nooke –, mit ihrer Idee nicht durchsetzen. Gegner wie Michel Friedman und der Historiker Jürgen Kocka kritisierten die Einseitigkeit des Projekts. Der neuerliche Anlauf scheint zumindest ein breiteres Presseecho zu finden, und eine Verwirklichung wird so immer wahrscheinlicher.

Auf jeden Fall steht die Denkmalspflege des Landes Berlins, in dessen Besitz sich die Denkmalsreste befinden, der Einrichtung eines neuen Monumentes aufgeschlosen gegenüber. Die Idee wird sogar dankbar aufgegriffen, da so frühere Pläne, die in den Katakomben unter dem verwaisten Sockel eine Gaststätte vorsahen, wohl endgültig zu den Akten gelegt sind.

Konkrete Vorstellungen über das Aussehen eines solchen Monumentes existieren auch dort nicht, jedoch versicherte ein Sprecher der Landesdenkmalpflege gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß die Urversion, das Reiterstandbild des Kaisers, nicht wieder hergestellt wird. Vielmehr handelt es sich bei der Gestaltung um eine politische Entscheidung, die Varianten zuläßt, die von einer einfachen Gedenktafel bis zu einer monumentalen Skulptur reichen können.

Das Bundeskanzleramt weiß zu den Vorgängen nichts weiter zu sagen, und Bundeskanzler Schröder hüllt sich heute genauso in Schweigen wie 1998. Auskunftsfreudiger sind hingegen Parlamentarier des Landes Berlin, wobei hier die Meinungen um so klarer sind. Ein Nationaldenkmal lehnt die grüne Landtagsabgeordnete Alice Ströwer kategorisch ab, da nur eine neugewonnene deutsche Identität für ein solches Monument Sinn haben würde. Dieses neue Selbstverständnis der Deutschen, wie immer es aussehen mag, liegt für Frau Ströwer noch in unbestimmter Zukunft. Jedoch begrüßt sie ausdrücklich eine andere Initiative, die anstehende Umbenennung des "Platzes vor dem Brandenburger Tor " in "Platz des 18. März", für die sich auch Bundestagspräsident Thierse (SPD) stark macht. Diese neue Namensgebung soll sowohl an die ersten freien Wahlen in der DDR als auch an die Märzrevolution von 1848 erinnern.

Einwände gegen die Errichtung eines Nationaldenkmals am Schloßplatz begegnen die Initiatoren in ihrem Antrag mit dem Argument: "Die Unfähigkeit zu feiern und die Unfähigkeit zu trauern gehören zusammen. Sie können auch nur zusammen überwunden werden. Denkmäler der Schande und der Trauer, des Stolzes und der Freude sind notwendige Grundsteine des neuen Deutschland." Die Unterzeichner hoffen, sollte der Antrag eine Mehrheit finden, das Denkmal möglichst schon am 3. Oktober 2000, dem zehnten Jahrestag der deutschen Einheit, einweihen zu können.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen