© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Dritte Welt: JF-Gespräch mit Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt
Sorgen beim Sektempfang
Moritz Schwarz

Urban 21" heißt die von der Bundesrepublik Deutschland vom 4. bis 6. Juli 2000 in Berlin ausgerichtete "Weltkonferenz zur Zukunft der Städte". Dort treffen sich die Bürgermeister der 21 größten Städte der Welt, um Leitideen für die künftige Entwicklung der Stadt, als der entscheidenden Strukturgröße des 21. Jahrhunderts, zu erarbeiten. Ein Problem der Städte der Dritten Welt ist der ungleiche Welthandel auf Kosten des Südens, dessen Folgen sich besonders in den Zentren fokussieren.

Veranstalter der Konferenz ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, dessen Minister Reinhard Klimmt vergangenen Sonntag in der Berliner Handwerkskammer die Ausstellung eines Fotoprojektes über die Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi eröffnete. Die JUNGE FREIHEIT sprach mit Reinhard Klimmt am Rande der Veranstaltung.

Herr Minister, befürchten Sie nicht, daß dieser Sektempfang zwar gutgemeint ist, jedoch an den Problemen vor Ort nichts ändert?

Klimmt: Natürlich bleiben die Probleme der Menschen vor Ort. Aber allein das Wissen, das man nicht in der Anonymität gefangen ist, sondern daß andere Menschen sehr wohl sorgend von der eigenen Not Notiz nehmen, gibt Kraft und kann diese Leute vielleicht beflügeln sich nicht einfach mit Ihrer Situation abzufinden. Außerdem unterstützen wir ja auch finanziell.

Verstecken wir hinter solchen Wohlfahrtsveranstaltungen nicht nur unser schlechtes Gewissen, weil wir die Probleme der armen Länder nicht wirklich strukturell anpacken?

Klimmt: Eins ergänzt das andere. Solche Veranstaltungen gehören genauso dazu, wie Verantwortung vor Ort zu übernehmen.

Aber es handelt sich doch um eine ungerechte Struktur, um eine Art Aggression des Nordens gegenüber der Dritten Welt. Heucheln wir nicht Hilfsbereitschaft, wo wir in erster Linie einmal Profiteure sind?

Klimmt: Man muß das schon auseinanderhalten. Eben weil Konzerne und die ökonomische Rationalität dort Fehlentwicklungen verursachen, sind wir verpflichtet auch etwas gegen diese Folgen zu unternehmen. Ziel muß natürlich sein die Entwicklung der ökonomischen Beziehungen der verschiedenen Teile der Welt auf eine faire Basis zu stellen. Unser "Urban 21"-Projekt soll zum Beispiel einen weitern Schritt in diese Richtung leisten.

Nicht nur in NRW auch im Bund ist Rot-Grün an der Macht. Wo bleibt denn nun der versprochene global-ökologische, wie auch der Fairneß-Durchbruch gegenüber der Dritten Welt?

Klimmt: Wir haben schon sehr viel unternommen, etwa um den CO2-Ausstoß zu vermindern. Das ist nicht ein großes Projekt, sondern eine Vielzahl von Kampagnen, die gemeinsam Wirkung zeigen.

Wenn man sich die EU als Vorbild für eine Zusammenarbeit der Völker Afrikas vorstellt, muß man sich dann nicht eingestehen, daß dieser Weg der großen Bürokratie die eigenverantwortliche Selbstverwaltung, wie sie die Menschen in den Nairobi-Slums nötig haben, verhindert?

Klimmt: Man muß den Menschen helfen sich selbst zu helfen. Wenn sie nur betreut würden, würde sich nichts wirklich bessern. Unsere Aufgabe ist die Hilfestellung beim Aufbau eigener Strukturen.

 

Reinhard Klimmt, 57, Historiker, Mitglied des SPD-Bundesvorstandes, war von 1998 bis 1999 Ministerpräsident des Saarlandes und wurde dann Bundesminister für Verkehr, Bauen und Wohnen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen