© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Pankraz,
Angela Merkel und das asymmetrische Oberteil

Die Wahl Angela Merkels zur Vorsitzenden der CDU ist nicht mehr aufzuhalten. Sie rückt in die allererste Reihe der deutschen Politik und der tagtäglichen medialen Aufmerksamkeit vor, wird gleichsam zum Bestandteil unserer Wohnstube, zum Stofftier in der Sofaecke. Was müßte sie tun, um dort optisch Bestand zu halten und kontinuierlich Sympathiewerte abzustrahlen?

Pankraz hat einige Visagisten und Modisten dazu befragt, und das Ergebnis lautet, auf ein Wort gebracht: "Casubles". Casubles sind schicke, asymmetrisch geknöpfte Oberteile in kräftigen Farben, die die Langeweile allzu regelmäßiger Erscheinung konterkarieren. Ihnen entspricht bei der Frisur ein allenfalls mittellanger Schnitt plus leichter Dauerwelle, bei den Accessoires ein Sortiment von kleinen, überraschenden Sachen: Ringe und Broschen im Renaissancestil etwa, pittoreske Handtäschchen, wie sie einst Margaret Thatcher bevorzugte, womit sie ihre berüchtigt strengen Auftritte abmilderte.

Man muß kein Lagerfeld sein, um zu erkennen, daß bei Merkel ein kürzerer Haarschnitt und eine Dauerwelle von Vorteil wären, nebst einer Haartönung in edlem, dunklem Mahagonirot. Den Augen täten ein leichter Lidschatten und etwas Maskara gut. Die Casubles-Oberteile könnten ergänzt werden durch farbenfrohe Schals und dito Einstecktücher. Dazu der Körper weniger nach vorn gehängt als bisher, die Schultern zurückgenommen, die ganze Haltung freier und dynamischer – das wäre schon etwas.

Wer glaubt, auf solche "Äußerlichkeiten" komme es im politischen Geschäft nicht an, der hat keine Ahnung von der modernen Mediendemokratie. Ohne Design und "Styling" geht dort schon lange nichts mehr. Selbst Helmut Kohl wurde, als er von Mainz nach Bonn kam, von dem berühmten Herrn Bacher aus Wien zunächst einmal gründlich "durchgestylt", mußte den Scheitel von links nach rechts verlegen, sich ein neues Brillengestell kaufen, durfte nicht mehr "Unsere Menschen draußen im Lande" sagen. Das war in den siebziger Jahren, und seitdem hat sich die Mode der Politik regelrecht bemächtigt. Die modischen Jörg Haider und Joschka Fischer sind dafür, jeder in seiner Art, die schlagenden Exempel.

Was man den männlichen Politikern an Stilwurstigkeit eventuell noch durchgehen läßt, das bleibt an den Frauen, aller Gleichberechtigung zum Trotz, als Makel hängen. Politik ist Aufputz und Maskierung, und auch Frausein ist zum nicht geringen Teil Aufputz und Maskierung. Wenn nun ausgerechnet politisierende Frauen auf modisch-weiblichen Aufputz verzichten und nur noch so sein wollen, "wie ich wirklich bin", dann wird das automatisch als politisches Manko gewertet und mindert die Wahlchancen.

Angela Merkel spielt zur Zeit ein gewagtes Spiel, indem sie als Staatsanwalt in eigener (Partei-) Sache durch die Kreisverbände reist und sich als eine Art Wahrheits-Furie präsentiert, die "alles, was an Verfehlungen vorgekommen ist", auf den Tisch legen möchte. Kein Basis-Arbeiter nimmt ihr das unbesehen ab. Alle denken bei sich, während sie ihr zujubeln: "Nun, die will Vorsitzende werden, und deshalb agiert sie also jetzt als eiserner Besen. Steht ihr ganz gut. Hoffentlich bleibt aber, wenn sie denn gewählt worden ist, ein bißchen mehr übrig als ein Besen."

Hoffnungsträgerin ist die Merkel für ihre durch die Entwicklung konsternierten Parteigenossen, man kann auch sagen: Katze im Sack. Noch nie ist jemand mit sowenig sicheren Vorgaben zu einer Vorsitzendenwahl angetreten, und im Grunde ist das eine ungemein weibliche Konstellation. Man wählt gewissermaßen "die Frau, das unbekannte Wesen", wobei man sich, im Geiste Goethes und Alice Schwarzers, zusätzlich noch einreden mag: "Das ewig Weibliche / zieht uns hinan", zumindest aus dem aktuellen Sumpf heraus.

Nur eben: Der so sichtbar geübte Verzicht der Merkel auf modische Überhöhung und Stilisierung und Casubles, auf Lidschatten und satten Mahagoniton läßt, wenn Pankraz richtig beobachtet, einige Kenner der menschlichen Seele in der CDU-Anhängerschaft befürchten, das Robespierre-Gehabe der neuen Vorsitzenden in spe, ihr Drang zur "Wahrheit" und zur "Aufklärung", sei schon alles, was sie einzubringen habe, entspreche voll sowohl ihrem Wesen als auch ihrer Vorstellung von großer Politik, es gäbe also gar keine Katze im Sack, sondern der Sack sei mit der Katze identisch.

Es gibt einige Indizien, die den Verdacht zu bestätigen scheinen. Nicht nur die Garderobe von Frau Merkel, auch ihre Sprache ist weitgehend Casubles-frei, ohne Tiefe und Farbe, ein Gerechtigkeits- und Gleichmacherjargon, der keinerlei positive Überraschungen für die Zukunft mehr erhoffen läßt. Eine kahle, männlich-symmetrische Sprache im Grunde.

Auf Merkel scheint zuzutreffen, was Nietzsche um 1880 den englischen Sufragetten ankreidete: Sie geben das Zentrum ihrer eigentlichen, der spezifisch weiblichen, Macht preis, indem sie in jedem Belang genau so werden wollen wie die Männer, sie nachäffen, den Unterschied zwischen den Geschlechtern einebnen und verlangweilen, dadurch letztlich die Attraktivität des Zusammenlebens von Mann und Frau herabmindern, die Familienbande unterhöhlen und den Staat über Gebühr schwächen.

Freilich, noch ist nichts endgültig entschieden. Daß Frauen auch als Politikerinnen noch für Überraschungen gut sind, hat soeben die modische Wendung der Grünen-Sprecherin Gunda Röstel bewiesen. Wer weiß, vielleicht erleben wir in gar nicht ferner Zeit, daß sich auch Angela Merkel in einem Modemagazin in blendenden Roben ablichten läßt. Sie hätte sogar eine ausgesprochen politische Begründung dafür, denn auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich schon in solchen Magazinen ablichten lassen. Kanzler wie Kanzlerkandidaten, ob Mann oder Frau, müssen mit der Mode gehen.


 
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