© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/00 24. März 2000

 
CD: Oper
Schwelgerisch
Julia Poser

Nur wenige Opernfreunde werden sich noch an Eugen d'Alberts bekannteste Oper "Tiefland" erinnern und kaum jemand an seine 1916 erfolgreich in Dresden uraufgeführte Oper "Die toten Augen". Dabei bietet die Musik alles, was eine effektvolle Oper ausmacht: Lyrische Szenen von großer Zartheit, dramatische Ausbrüche, dazu ein fast reißerischer Text, aber auch dankbare Partien für die Haupt- und Nebenrollen. Musikalisch kann man den am 1864 geborenen d’Albert als einen Vertreter des deutschen Verismo bezeichenen. In Italien waren Leoncavallo (Bajazzo) und Mascagni (Cavalleria rusticana) typische Verismo Komponisten. Trotz seiner englischen, italienischen, französischen und deutschen Vorfahren hat d’Albert seine 21 Opern nur in deutscher Sprache vertont. Alle modernen Strömungen wie Atonalität oder Zwölftonmusik vermied er, denn er meinte, "daß ohne melodischen Einfall ein genießbares Opernwerk nicht denkbar" sei.

Die CD-Firma CPO Classics, die schon so manchen unbekannten deutschen Opernkomponisten wie Biber, Keiser, Telemann und Spohr wiederentdeckt hat, brachte nun auch eine Einspielung von Eugen d’Alberts Musikdrama "Die toten Augen" heraus. Der Hörer wird von einer farbenprächtigen Oper und ihrer mitreissenden Dramatik überrascht und fragt sich, warum "Die toten Augen" kaum noch auf eiem Spielplan stehen.

Die toten Augen gehören der schönen blinden Griechin Myrtocle, der geliebten Gattin von Arcesius, der als römischer Gesandter in Jerusalem lebt. Auch Myrtocle liebt ihren Mann innig, ahnt aber nicht, daß er ein häßlicher, mißgestalteter Mensch ist. Als Myrtocle erfährt, daß am Palmsonntag Jesus von Nazareth nach Jerusalem kommt, bittet sie ihn, sie sehend zu machen. Geheilt erkennt sie glücklich Licht, Natur und ihre eigene Schönheit. Der heimkehrende Arcesius erfährt entsetzt von Myrtocles Dienerin Arsinoe das große Wunder. Er schickt seinen Freund, den schönen jungen Römer Galba, vor und beobachtet wütend und eifersüchtig, wie Myrtocle im Glauben, ihren eigenen Mann zu sehen, Galba zärtlich umarmt und küßt. Er tötet Galba und flieht. Von Arsinoe erfährt Myrtocle die Wahrheit und erkennt, daß man auf das eigene Glück verzichten muß, um das eines anderen zu retten. Sie blickt so lange in die Sonne, bis sie wieder erblindet: "Oh meine lieben toten Augen". Gefühlvoll wird die Geschichte der Myrtocles eingerahmt von einem Vor- und Nachspiel mit dem Gleichnis vom guten Hirten.

Wem in dieser überragenden Aufnahme die Siegespalme gebührt, ist schwer zu entscheiden. Soll man sie dem Dirigenten Ralf Weikert zuerkennen, der den sensibel musizierenden Dresdner Phiharmonikern schwelgerischen Klang entlockt und ein wahres Feuerwerk unterschiedlicher Stimmungen entfacht? Oder eher der mit betörend schönem, ausdrucksstarken Sopran singenden Dagmar Schellenberger als Myrtocle? Wie innig klingt ihr Lied von der armen kleinen Psyche, die Amor nicht sehen darf! Kraftvoll der Bariton Hartmut Welkers als überzeugender Arceius. Norbert Orth singt mit warmem, weichtimbrierten Tenor den unglücklichen Galba. Auch Margaret Chalker als Arsinoe und Ann Gjevang als Maria von Magdala tragen mit ihren Stimmen zum Erfolg der Aufnahme bei. Im Vorspiel begeistert der Tenor von Lothar Odinius als guter Hirte.

Diese prachtvolle Einspielung ist nur über CPO, Lübecker Straße 9, 49124 Georgsmarienhütte oder in CPJ Fachgeschäften erhältlich.


 
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