© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000


Heinz Loquai
Angriff auf Scharping
von Alexander Schmidt

"Immer Ärger mit den Generälen", dachte Verteidigungsminister Rudolf Scharping in den letzten Wochen häufiger. Erst beschließt ein General in Hamburg, sich bei der FDP zu engagieren, womit er den Unmut des Ministers auf sich zog, und jetzt bezichtigt ihn der ehemalige OSZE-Brigadegeneral Heinz Loquai auch noch der Lüge.

"Der Kosovo-Krieg war vermeidbar", schreibt Loquai in seiner 200 Seiten starken Studie "Der Kosovo-Konflikt. Wege in einen vermeidbaren Krieg", für die er den Staub von Berichten aller bedeutenden westlichen Institutionen geblasen hat. Der frühere OSZE-Beobachter greift Scharping an und beschuldigt ihn, den "Hufeisenplan", der die geplante Vertreibung der Kosovo-Albaner vorgesehen hätte, nur erfunden zu haben. Ebenso habe der Verteidigungsminister das Parlament "lückenhaft, einseitig und falsch unterrichtet." Sein Frontalangriff begann bereits im September des vergangenen Jahres. Damals äußerte sich Loquai in den Blättern für deutsche und internationale Politik über die Erfolglosigkeit des Kosovo-Krieges und warnte vor einem erneuten Ausbruch des Konfliktes.

Die Amerikaner hätten ein militärisches Eingreifen vor den Ramboulliet-Gesprächen fest im Blick gehabt, letztlich seien die Europäer den USA zu gefügig gewesen. Damit bezieht sich der ehemalige Soldat auf Berichte des Auswärtigen Amtes, in denen es heißt, daß erst nach Beginn der Nato-Angriffe "als im Gefolge der OSZE alle Hilfsorganisationen den Kosovo verlassen hatten", die albanische Zivilbevölkerung schutzlos der serbischen Gewalt ausgesetzt war. Nach der Veröffentlichung des Buches merkte Scharping verärgert an, daß zwischen ihm und Loquai keine Gespräche über das Thema stattgefunden hätten. Der Minister hätte wohl – wenn möglich – dem Brigadegeneral a.D. den Untertitel zur Studie beigesteuert: Beförderungsstopp ohne Zeitgrenze.

Will man die Karriere des dreifachen Familienvaters beschreiben, träfe wohl der Begriff des "Quereinsteigers" am ehesten zu. Der gelernte Industriekaufmann, Jahrgang ’38, trat mit 21 Jahren in die Bundeswehr ein und holte 1966 sein Abitur am Abendgymnasium nach.

Erst nach seiner Zeit als Kompaniechef studierte er in Köln Soziologie und Volkswirtschaftslehre und promovierte 1980 in Hamburg. Sein Weg führte weiter über das Verteidigungsministerium zum persönlichen Referenten des Staatssekretärs Dr. Rühl, im Anschluß daran zur Ausbildung in der Nato-Verteidigungsakademie in Rom. Kurzzeitig war er Referatsleiter für Nuklearpolitik bei der Deutschen Nato-Botschaft in Brüssel.

Inzwischen hat Loquai seine Kampfstiefel in den Schrank gestellt. Jetzt vertritt er das Verteidigungsministerium an der ständigen Vertretung Deutschlands bei der OSZE in Wien.


 
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