© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000

 
Deutsche Wehrtechnik: Die erfolgreichen Geschäfte von Rheinmetall
Exportschlager Rüstung
Rüdiger Ruhnau

In Berlin ist erstmals ein Branchenindex für Korruptionsanfälligkeit aufgestellt worden. Aufgrund von Befragungen von im Ausland tätigen Managern, Wirtschaftsprüfern sowie von Bankenvertretern gilt die Landwirtschaft als am wenigsten anfällig für Bestechungsversuche. Am höchsten soll die Bereitschaft zur Bestechung bei der Bauwirtschaft sein, dicht gefolgt von der Rüstungsindustrie und der Energiewirtschaft. In Zukunft sollen Antikorruptionsgesetze, neben einer absoluten Transparenz der Geschäftsvorgänge, für ein sauberes Verhalten der Unternehmen sorgen. Der Fall der 1991 nach Saudi-Arabien gelieferten Spürpanzer "Fuchs" zur Abwehr von ABC-Waffen, wobei angeblich 220 Millionen Mark Schmiergelder geflossen sein sollen, harrt noch der Aufklärung.

Die deutsche Rüstungsindustrie ist aber auf Waffenexporte angewiesen, da sonst der laufend gekürzte Verteidigungsetat der Bundeswehr das technische Wissen und die Innovationsfähigkeit der Rüstungshersteller gefährdet. Von den 1990 noch vorhandenen 280.000 Arbeitsplätzen hat der einschneidende Umstrukturierungsprozeß nur noch 100.000 übriggelassen, im gleichen Zeitraum ist der Verteidigungsbeitrag von 53,6 auf 45,3 Milliarden Mark gesunken. Besonders bei Panzern (Rad- und Kettenfahrzeuge) besteht die Gefahr, daß Deutschland seine führende Rolle in der Heerestechnik verliert. Deswegen auch die große Hoffnung auf einen Lieferauftrag von 1.000 Leopard-Panzern an die Türkei, obwohl fraglich ist, ob Bundeskanzler Schröder bei einem türkischen Waffenauftrag den erneuten Streit mit seinem grünen Regierungspartner riskieren würde. Um das 14-Milliarden-Objekt bewerben sich außerdem die USA, Frankreich und die Ukraine. Gute Chancen rechnen sich die Amerikaner aus, sie haben schon die inzwischen veralteten Türkenpanzer geliefert.

Deutschlands führender Rüstungskonzern, gleichzeitig größter Anbieter von Heerestechnik in Europa, ist die Rheinmetall AG in Düsseldorf. Von den früheren stolzen Waffenfabrikanten, darunter Siemens, Krupp, Henschel, sind nur noch zwei übriggeblieben - neben Rheinmetall die Mannesmann-Tocher Krauss-Maffei Schwegmann. Bei Rheinmetall macht die Wehrtechnik etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes von 10 Milliarden DM aus, die restlichen zwei Drittel werden mit Maschinenbau und ziviler Elektronik erwirtschaftet. Hauptaktionär des Unternehmens mit seinen 30.000 Beschäftigten ist die Röchling Industrieverwaltung GmbH, bestehend aus 185 Mitgliedern der Familie Röchling. Die saarländische Stahldynastie Röchling hält 66,5 Prozent der Stammaktien.

Um für eine zu erwartende Neuordnung der europäischen Rüstungsindustrie besser vorbereitet zu sein, faßte Rheinmetall alle relevanten Wehrtechnologien unter dem Dach der "Rheinmetall DeTech AG" zusammen, als da sind: Waffen, Munition, Sprengstoffe, Land- und Flugsysteme, Simulationssysteme und militärische Elektronik. Die Feldhaubitze FH 155-1 (Kaliber 155 mm), Standardwaffensystem innerhalb der Nato, wurde von Rheinmetall gemeinsam mit britischen und italienischen Waffenherstellern entwickelt und erprobt. Die FH 155 ist hauptsächlich für den Transport im Anhängerbetrieb konzipiert und erreicht eine Schußfolge von mindestens 6 Schuß pro Minute. Eine Rheinmetall-Tochter ist auch der Waffenhersteller Mauser in Oberndorf am Neckar, wo die Gebrüder Mauser schon 1872 eine Gewehrfabrik gründeten. In Oberndorf ist ebenfalls die Firma Heckler & Koch beheimatet, ein Tochterunternehmen der britischen Royal Ordnance, dort entwickelte man die Standardwaffe der Bundeswehrsoldaten, das Gewehr G 3. Die landesweit eingeführte Pistole "Walther P 5" wird dagegen von der Waffenfabrik Walther in Ulm produziert.

Seit 1979 erfolgt die Serienfertigung des Mehrzweckpanzers "Fuchs" für die Soldaten der Bundeswehr. Zwanzig Jahre im aktiven Dienst der verschiedenen Truppenteile des Heeres erwiesen zwar die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des gepanzerten Sechs-Rad-Fahrzeuges, Tatsache ist aber auch, daß die Instandhaltung eines alten Fahrzeugparks hohe Kosten verursacht. Die Firmen Rheinmetall und Krauss-Maffei Schwegmann haben deshalb gemeinsam mit der britischen Alvis Vehicles eine "Panzerallianz" gegründet, um rechtzeitig mit einem Transportpanzer GTK aufwarten zu können. Im Kosovo, wo 6.000 Bundeswehrsoldaten im Einsatz sind, hat es sich gezeigt, daß der 60 Tonnen schwere Kampfpanzer Leopard 2 für schnelle Einsätze weniger gut geeignet ist als der nur 16,5 Tonnen schwere "Fuchs", mit dem auch Flugtransporte viel einfacher zu bewerkstelligen sind. Überhaupt ist die hohe Zahl von schweren Kampfpanzern unzeitgemäß. 2.500 Leopard-Panzer und 2.100 Schützenpanzer "Marder" befehligt die Bundeswehr - gegen welchen Gegner sollen denn die gigantischen Panzerschlachten geschlagen werden? Gebraucht werden dagegen mehr Kampfhubschrauber und Lufttransporter, die in der Lage sind, eine nennenswerte Zahl von Soldaten samt Gerät schnell zu verlagern. Die für die Krisenreaktionskräfte untaugliche "veraltete" Panzerstrategie stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg, seinerzeit bewährte sich bei taktisch richtigem Einsatz der weltbeste schwere Kampfpanzer "Tiger II" (60 Tonnen schwer), ein Vorläufermodell des heutigen Leopard.

Damit sich die deutsche Rüstungsindustrie behaupten kann, werden Kooperationen erfolgen, nicht zuletzt unter dem Druck der Konkurrenten aus den USA. So kaufte die Rheinmetall AG bereits die Wehrtechnik des Schweizer Oerlikon-Bührle-Konzerns und das niederländische Munitionsunternehmen Eurometall. Die schwedische Waffenschmiede Bofors wird voraussichtlich von dem US-Rüstungsunternehmen United Defense übernommen werden.

Da uns keine nennenswerten Rohstoffe zur Verfügung stehen, sind Humanressourcen im internationalen Wettbewerb wichtig. Die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands hängt auch davon ab, wie viele junge Leute sich für das Studium der Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Informatik entscheiden.


 
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