© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Null Berührungsängste unter dem Minarett
Politischer Dialog: Republikaner-Abgeordnete besuchten eine Moschee in Mannheim
Moritz Schwarz

Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen", damit begründete gegenüber der jungen freiheit der Parlamentarische Geschäftsführer, Lothar König, den Besuch einer siebenköpfigen Delegation der baden-württembergischen Landtagsfraktion der Republikaner vergangene Woche in der größten Moschee Deutschlands, der Yavuz-Selim-Moschee im Mannheimer Stadteil Jungbusch. "Das Thema "Islam" ist zu einem Faktor in der Landespolitik geworden, der nicht mehr ignoriert werden kann", rundete König seine Erklärung ab. Die Muslime in Deutschland seien eine Realität, die auch bei einem von den Republikanern anvisierten Zuzugstopp erhalten bleibe: "Wir können das Rad nicht zurückdrehen."

Die Deutschen fürchteten sich, so König, vor einem zunehmend aggressiven Auftreten des Islams in Deutschland, wie es etwa durch Kopftuch-tragen, Minarette und den unbedingten Wunsch nach Expansion der islamischen Gemeinden zum Ausdruck komme. Außerdem gelte es gegenüber dem Einfluß fundamentalistischer Strömungen im Islam wachsam zu sein.

Daher nannte König als Ziel deutscher Islam-Politik die "Kompatibilität des Islams mit unserem Grundgesetz". Der 55jährige Lehrer aus Dobel im Kreis Calw unterstrich in diesem Zusammenhang, daß der Islam keine homogene, sondern eine vielströmige Religion sei, die sowohl eine spirituelle, als auch eine politische Dimension habe. Man aerkenne natürlich das Recht auf freie Religionsausübung an. Entscheidender Widerstand gelte aber der politischen Instrumentalisierung des Islams für antidemokratische Ziele. Der Fraktionschef der Republikaner, Rolf Schlierer, unterstütze das Vorhaben seiner Abgeordneten, man habe "null Berührungsängste".

Der Besuch selbst hinterließ einen guten Eindruck, wenn auch, wie Landtagsmitglied Dagenbach bedauerte, die "Zweifel nicht zerstreut" worden seien. Die Unterschiede in den Aussagen von seiten des "Islamischen Bundes" gegenüber den Republikanern im Vorgespräch und später in Gegenwart der Presse, hätten die Befürchtungen nicht ausräumen können, so der 52jährige Gärtnermeister aus Heilbronn. Dennoch aber bewertete er es als positiv, daß überhaut ein Gespräch zustande gekommen sei, und bekundete unbedingtes Interesse, den Dialog fortzusetzen. Dagenbach freute sich außerdem, daß die Vertreter des "Islamischen Bundes" nach seinen Angaben ihm gegenüber zu verstehen gegeben hätten, die Republikaner würden in der Öffentlichkeit anders dargestellt, als sie wohl tatsächlich sind, und man hätte nun ein anderes Bild.

Der 37jährige Bekir Alboga, wissenschaftlicher Leiter des "Instituts für deutsch-türkische Integrationsstudien" und für den "Islamischen Bund" Gastgeber der Republikaner, äußerte auf Anfrage der jungen freiheit, er sei "sehr überrascht gewesen über die Bereitschaft der Republikaner, Fragen zu stellen". Die Republikaner seien bereit, "zu hören und zu lernen", man habe aber auch "heftig diskutiert". Er wertete die Begegnung als "positiv und konstruktiv" und habe sich " eigentlich gefreut".

Der begleitende Ausländerbeauftragte der Stadt Mannheim, Helmut Schmitt (55), bescheinigte den republikanischen Abgeordneten gegenüber der jungen freiheit, sie hätten sich "sachlich verhalten" und "wollten einmal Bescheid wissen", und bestätigte eine "lebhafte Diskussion".

Trotz aller begrüßenswerten Fortschritte gab sich auch Lothar König nicht ganz und gar überzeugt. Man werde den kritischen Blick beibehalten. Doch trotz auch ungeklärt verbliebener Fragen, freute sich König über den "sehr gastfreundlichen" Empfang. Das Treffen habe sich als konstruktiver Schritt erwiesen, denn wer ein Thema diskutieren wolle müsse sich auch vor Ort informieren und vor allem mit den Betroffenen sprechen. König: "Es ist eben besser miteinander als übereinander zu reden."

Mit Besorgnis betrachtet König vielmehr das Verhalten der etablierten Kräfte in der Diskussion. Nicht nur, daß die Republikaner bislang die einzige Landtagsfraktion sind, die das Gespräch vor Ort gesucht haben. Während sich die Muslime eher zurückhaltend gaben, seien vor allem die die Delegation begleitenden Offiziellen, ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer, eine SPD- und eine CDU-Gemeinderätin sowie der städtische Ausländerbeauftragte, im Gespräch um eine, so König, "Ausweitung der Rechte der Moslems" in Deutschland bemüht gewesen.

Dem widersprach Ausländerbeauftragter Schmitt: Es gehe lediglich darum, den hier lebenden Moslems ihre Glaubensausübung zu ermöglichen. Er fürchte solche Verkürzungen. Tatsächlich seien die Türken im Viertel in der Minderheit und lebten in guter Nachbarschaft mit den Deutschen.

König konstatierte jedoch nachdenklich: "Diese Leute sind sich selbst als ’Weltbürger‘ bezeichnende Überzeugungstäter, die den Blick für die Realität verloren haben." So habe die Delegation Herrn Schmitt mit der Aussage des Fahrers ihres Taxis zur Moschee konfrontiert, das Viertel sei bereits fest in türkischer Hand. Dieser habe das mit "alles Stammtischgeschwätz" beiseite gewischt. Auf der Rückfahrt aber habe dann im Gespräch ein anderer Taxifahrer aus seiner Alltagssicht die Aussagen des Kollegen voll bestätigen müssen.


 
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