© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Big Brother: Großer Rummel um Zlatko
"Ich bin ein Supertyp"
Ronald Gläser

Zlatko ist Kult. Zlatko – das ist einer der Bewohner des RTL2-Wohncontainers und damit einer der Hauptdarsteller bei "Big Brother". In dieser Serie haben sich junge Leute in ein als Bungalow verkleidetes Fernsehstudio einsperren lassen und werden nun rund um die Uhr mit Kameras überwacht. Im Internet kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit sehen, was die Menschen dort tun. Zlatko ist einer von ihnen. Der interessanteste. Es gibt Zlatko-T-Shirts und Zlatko-Fanclubs. Der Musikkanal Viva ist sofort auf den Trend aufgesprungen und produziert eine tägliche Zlatko-Sendung. Vor dem Big Brother-Haus demonstrieren Jugendliche mit Spruchbändern und skandieren "Zlati, Zlati". Die Werbeverträge, die der 24jährige nach dem Ausscheiden aus der Sendung abkassieren dürfte, stellen selbst die Gage für den Gewinner von einer Viertelmillion in den Schatten.

Zlatko ist ein einfacher, arbeitsloser Industriemechaniker aus Schwaben. Er war zwar in der Schule eine Niete, er weiß auch nicht, wer Shakespeare war, und seinem Deutschlehrer stehen angesichts seiner Aussprache vermutlich die Haare zu Berge. Egal. Mit seinen soliden Ansichten führt der Bauernsohn vom Balkan seine deutschen Mitbewohner regelmäßig vor. Er ist einfach nur genervt, wenn seine WG-Kameraden täglich ihre politische Korrektheit zur Schau stellen und glauben, damit punkten zu können. So kritisierte einer der Bewohner neulich bestimmte Zustände in Deutschland, um sofort relativierend zu fragen: "Was willst du machen? Die Rechten kannst du ja nicht wählen."

Nicht so Zlatko. Zlatkos Weltanschauung basiert auf der Bibel. So ist er gegen Drogen und gegen Homosexualität, findet Fremdgehen indiskutabel und ist der Intimfeind von Manuela ("Ich schlag’ ihr auf die Fresse, ich schwör."), die sich besonders verstellt. Die blonde Manuela wiederum hat ein Verhältnis mit einem "Neger". Als dieses schlimme Schimpfwort für farbige Mitbürger erstmals erwähnt wurde, begann Manuela vor der Kamera zu heulen. Die Reaktion der Zuschauer auf Manuelas Verhalten war eindeutig und läßt sich an den Beiträgen im Internetforum ablesen ("Die dumme Kuh soll endlich verschwinden"). Die RTL2-Redaktion sah sich sogar veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß "menschenfeindliche" Beiträge strafrechtlich verfolgt würden.

Der ganze Rummel um Zlatko beweist einmal mehr, daß das Fernsehen seine eigene kleine Welt geschaffen hat. Zlatko ist eine Kultfigur, weil er einfach ein normaler Mensch ist. Die sich mit ihm identifizieren, haben es satt, in täglichen Seifenopern extrovertierte Künstler, fremdgehende Pärchen oder Gummi-Fetischisten präsentiert zu bekommen. "Big Brother" zeigt noch zwei andere Aspekte auf, die die TV-Wirklichkeit in der "Informationsgesellschaft" mustergültig bloßstellen. Zum einen demonstriert RTL2 die Macht der Medien über die Zuschauer. Kürzlich hatten die Zuschauer über zwei Kandidaten zu entscheiden, ob Jona oder Jana das Haus verlassen solle. In der Kurzzusammenfassung dessen, was im Haus am Vortag geschehen ist, wurde nur noch Jona gezeigt. Ihre Mitbewerberin Jana wurde konsequent hinausgeschnitten oder in unvorteilhaften Situationen gezeigt. Das Resultat war ein deutlicher Sieg Jonas über Jana. Demokratie siegt.

Zum anderen verdeutlicht die Situation im Haus, welche Auswirkungen Informationsdefizite auf eine Gesellschaft haben. Wer die Wahrheit nicht kennt, fällt gelegentlich die falsche Entscheidung. Die Bewohner des Big-Brother-Hauses haben keinerlei Kenntnis vom Zlatko-Kult. Sie kennen nur ihren Mikrokosmos zwischen Küche, Wohnzimmer und Hühnerstall. Wüßten sie, daß Zlatko inzwischen zu einer männlichen Ausgabe von Verona Feldbusch mutiert ist, kämen sie nicht auf die Idee, ihn zu nominieren, weil sein absehbarer Sieg bei der Abstimmung seine Position nur stärkt und zur Folge hat, daß sein jeweiliger Konkurrent gehen muß.

Dennoch haben sie ihn deutlich am Sonntag benannt. Zlatko indes hat keine Angst vor der Abstimmung, schließlich ist er nach eigener Aussage "ein Supertyp". Sollte er wider Erwarten das Haus verlassen müssen, dann – so Zlatko – "sind wir halt am Arsch."

 

Internet: www.bigbrother-haus.de

 

Anett (21) sieht jeden Abend "Big Brother"
"Zlatko mag ich nicht"
Ernst Jarmer

Warum siehst Du Dir jeden Abend diese merkwürdige Sendung an?

Anett: Wenn man das einmal angeschaut hat, möchte man wissen, wie es weitergeht. Das ist spannend! Vor allem, wenn man sich hinterher mit Freunden austauschen kann, die das auch ansehen.

Ist Zlatko wirklich so kultig?

Anett: Für die Allgemeinheit ist er wohl zum Kult geworden, für mich persönlich aber nicht.

Warum nicht?

Anett: Ich mag seine Art nicht. Er ist ein bißchen zu niveaulos. Er ist ganz lustig, auf Dauer nervt er.

Wer wird am Sonntag das Haus verlassen müssen: Jürgen oder Zlatko?

Anett: Momentan würde ich sagen Jürgen, weil Zlatko einfach eine größere Fangemeinde hat. Man muß aber sehen, wie sich das noch in dieser Woche entwickelt.

Wirst Du mit über TED abstimmen?

Anett: Das werde ich noch spontan entscheiden.

Wen findest Du denn am nettesten?

Anett: Ich persönlich mag John und Manuela am liebsten.

 

Anett P. ist Schreibkraft bei der JF und in Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin


 
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