© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
Ab nach Workuta
Ekkehard Fuhr
von Xenia Backhaus

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat ihren erst seit 1997 amtierenden Innenpolitikchef Eckhard Fuhr abgelöst und ins journalistische Straflager verbannt. Fuhrs Workuta liegt in Berlin, wo er sich um die Fernsehaktivitäten des FAZ-Verlags und die Kooperation mit dem Nachrichtensender N 24 kümmern darf.

Diese Kaltstellung ist das, was der Haftungsjurist einen weiterfressenden Mangelfolgeschaden nennen würde. Durchaus zutreffend, wenn es sich hier auch nicht um eine defekte Waschmaschine, sondern um die CDU-Spendenaffäre handelt, die die mehrheitlich Kohl-treue FAZ-Redaktion nun erfaßt und ihr Bauernopfer gefordert hat.

Der passionierte Jäger Fuhr hat in Leitartikeln und Kommentaren das politische Idol seiner Kollegen offenbar allzu genau aufs Korn genommen. Das brachte ihm in den letzten Wochen den Ruf eines linksliberalen Renegaten ein, den man gar als "Herold von Bundeskanzler Schröder" titulierte. "Liebe Freunde" griffen zur Erklärung auf das alte cherchez la femme zurück: Der 46jährige gelernte Historiker, als Waidmann Natur- und Umweltfragen gegenüber ohnehin aufgeschlossen, könne nur den Einflüsterungen einer grün-alternativen Gattin erlegen sein.

Wer Politik nicht derart aufs Bunte-Niveau reduziert sehen will, darf mit Blick auf Fuhrs Karriere ganz vorsichtig den Verdacht äußern, hier in der gleichgeschalteten bundesdeutschen Presselandschaft einen seltenen Selbstdenker vor sich haben. Man erinnert sich der kühlen Kommentare Fuhrs, der 1994, als hysterisierte Gutmenschen die Druckerei der JUNGEN FREIHEIT anzündeten und ihr Vertriebsnetz zu paralysieren versuchten, über diesen "stumpfsinnigsten Totschlag-Antifaschismus" schrieb: "Darf man schweigend hinnehmen, daß selbsternannte ’Antifaschisten‘ sich anmaßen, die inhaltlichen Grenzen der Pressefreiheit mit Gewalt zu bestimmen?" Vergleichbar ätzende Kommentare zu jener "Litanei der Privattugenden" (Hegel) und dem "höheren Blech" der Werte (Friedrich Engels), die das bundesdeutsche Politikgeschäft bestimmen, gibt es viele aus der Feder Fuhrs.

In der CDU-Affäre hat er es sich offenbar in ähnlicher Weise gestattet, eine eigene Meinung zu haben. Und mit dem üblichen Karriereknick bezahlt. Der aber wohl bald ausgebügelt sein dürfte, wenn Fuhr nach dem Vorbild mancher Feuilleton-Kollegen seines Blattes demnächst von der "liberalen" Konkurrenz mit offenen Armen aufgenommen wird.

Was lehrt der "Fall Fuhr"? Nur die bekannte Weisheit, daß wer zahlt, auch die Musik bestimmt? Oder daß das "System Kohl" in der Frankfurter Hellerhofstraße noch funktioniert? Oder daß man in der Chefetage bald wieder mit einer Stimme, dann aber für Merkel und Merz spricht? Wenigstens ist die politische Homogenität in der "kritischen Presse" relativ leicht zu wahren, solange die Fuhrs in diesem Lande so selten bleiben – wie der Säbelzahntiger.


 
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