© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
Polen will nur Bauarbeiter schicken
Green Card: Die Abwerbung von Spezialisten aus Polen stößt auf wachsende Widerstände
Jörg Fischer/Péter Herter

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, rechnet bis zum Jahr 2003 mit einem Fehlbedarf von 300.000 Fachleuten in allen Branchen, und meint: "Wenn dazu ein Einwanderungsgesetz nötig ist, dann sage ich: Warum nicht?"

Neben Indien wird häufig Mittel- und Osteuropa als Lückenbüßer für die deutsche Misere angesehen. Doch auch in Polen wächst die Kritik an der Absicht der Deutschen, Computerspezialisten aus Osteuropa abwerben zu wollen. Für den polnischen Arbeitsminister Longin Komolowski ist es unvorstellbar, daß Polen kostenlos und jahrelang Fachkräfte ausbilde, die dann von Deutschland übernommen würden. Auch Jeremi Mordasewicz vom Unternehmerverband "Business Center Club", ist empört: "Um ehrlich zu sein, ich finde, das ist ein Schlag unter die Gürtellinie. In Polen ist die Ausbildung weitgehend kostenlos. Unsere Firmen laufen sich die Hacken ab nach Informatikern. Und jetzt zieht sie uns Deutschland vom Markt." Die Vereinigung der größten polnischen Privatunternehmer sei dagegen, Informatikspezialisten aus dem Gesamtzusammenhang herauszulösen: "Wenn, dann sollte das alle Arbeitskräfte betreffen, auch die schlechter ausgebildeten, im Baugewerbe, gegen die Deutschland sich so sperrt."

Maciej Grabowski, Migrationsexperte des Danziger "Instituts zur Erforschung der Marktwirtschaft", zeigt Lösungswege auf: "Besser wäre es, die deutschen Firmen würden hier investieren. So ist das eine ziemlich beunruhigende Rosinenpickerei. So wie die deutsch-polnischen Beziehungen zur Zeit sind, ist das nicht die beste Idee." Bei "Prokom", einer von Polens größten Software-Firmen, sieht man die neue Lage eher gelassen. Lohnerhöhungen für polnische Mitarbeiter kommen momentan nicht in Frage. Bei der Ausbildung junger Informatiker hat Polen die gleichen Probleme wie Deutschland: Auf einen Informatik-Studienplatz an der Warschauer Universität kommen derzeit 15 Bewerber. Gleichzeitig reißen sich die Firmen – polnische wie ausländische – um die Absolventen. Universitäten und private Hochschulen kommen mit der Ausbildung der gefragten IT-Fachleute nicht nach – auch weil die freie Wirtschaft ihnen die Dozenten wegkauft.


 
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