© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
Als Saubermann ins Geschichtsbuch
Die Stasi-Akten dienen der historischen Aufklärung
Detlef Kühn

Die Gauck-Behörde verwahrt auch Akten über mich. Mal hat das Ministerium für Staatssicherheit meine Telefongespräche belauscht, mal haben Inoffizielle Mitarbeiter ihm zugetragen, was ich so alles geäußert habe. Ich bin Opfer der Rechtsbrüche des MfS und habe Anspruch darauf, zu erfahren, wer ihm was über mich zugetragen hat. Da ich aber Präsident einer Bundesbehörde war, die in der DDR als gefährliche Feindorganisation galt, bin ich auch eine (eher unbedeutende) Person der Zeitgeschichte. Als solche muß ich mich damit abfinden, daß auch andere, etwa Historiker oder Journalisten, "meine" Akten einsehen dürfen. Nur wenn es ganz privat wird, schwärzen die Sachbearbeiter der Gauck-Behörde diese Stellen. Ansonsten kann ich mich gegen eine Einsichtnahme durch Dritte nicht wehren. Das historische Interesse geht vor. Ich finde das richtig.

Natürlich stimmt nicht alles, was über mich oder angeblich von mir in den Akten steht. Manchmal werden Fakten irrtümlich falsch zugeordnet; manchmal wird einfach nur geschludert. Daß etwas für den internen Gebrauch schlicht erfunden wird, habe ich noch nicht erlebt, will es aber auch nicht ausschließen.

Auf jeden Fall hoffe ich, daß Historiker, die sich einmal für mein bescheidenes Wirken interessieren sollten, kritisch und im Bemühen um Objektivität mit "meinen" Akten umgehen. Aber das gilt auch für Quellen, die im Westen entstanden sind. Sonst zieht man falsche Schlüsse.

Das gilt erst recht für die Großen der Zeitgeschichte. Auch ein Parteiführer hat Anspruch auf Schonung der Privatsphäre. Die Gauck-Behörde schwärzt auch bei ihm die entsprechenden Stellen. Wer aber politisch falsch gehandelt oder gar Gesetzesverstöße begangen hat, kann nicht erwarten, daß vorhandene Quellen ungenutzt bleiben. Straftäter sind gegen eine Verurteilung aufgrund illegal abgehörter Telefongespräche geschützt. Ihr Strafregister bleibt sauber. In den Geschichtsbüchern erscheint man aber nur als Saubermann, wenn man es auch wirklich war. So haben sogar die Stasi-Akten noch ihr Gutes.

 

Detlef Kühn war von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts.


 
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