© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Einzige Weltmacht
Die USA stoppen das Engagement einer deutschen Werft in Australien
Michael Wiesberg

Amerika, so schreibt der ehemalige Sicherheitsberater der Regierung Carter, Zbigniew Brzezinski, in seinem Buch "Die einzige Weltmacht", "steht im Mittelpunkt eines ineinandergreifenden Universums, in dem Macht durch dauerndes Verhandeln, im Dialog, durch Diffusion und in dem Streben nach offiziellem Konsens ausgeübt wird, selbst wenn diese Macht letztlich von einer einzigen Quelle, nämlich Washington, D.C., ausgeht." Washington sei "auch der Ort, wo sich der Machtpoker abspielt, und zwar nach amerikanischen Regeln".

Es ist immer wieder lehrreich, sich an Brzezinskis Buch zu erinnern, wird doch hier unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, welchen Gesetzmäßigkeiten und Interessen die globalisierte Welt folgt. Ein neuerliches Beispiel für die globale amerikanische Schiedsrichterrolle ist der Einspruch der USA gegen den Plan der Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW), Anteile an der australischen U-Boot-Werft Australian Submarine Corp. in Adelaide zu erwerben. Diplomatische Kreise in Canberra, so berichtete das Handelsblatt am 12. April, hätten unterdessen das Veto der USA bestätigt. Nach australischen Presseberichten, so berichtet das Handelsblatt weiter, haben die USA die Möglichkeit eines Verrats militärischer Geheimnisse als Argument für ihren Einspruch genannt.

Die Bedenken der Amerikaner dürften sich in erster Linie auf die U-Boote der Collins-Klasse beziehen, die in Australien als Unterwasser-Äquivalent zu den 36 F-111-Kampfbombern der australischen Luftwaffe gesehen werden. Deren Qualität ist freilich umstritten. Einmal wegen der hohen Geräuschentwicklung der Collins-U-Boote unter Wasser. Zum anderen werden die Qualitäten dieses U-Bootes unter Gefechtsbedingungen in Zweifel gezogen. Der aus Sicht der Amerikaner springende Punkt dürfte die komplexe elektronische Waffentechnik dieser U-Boot-Klasse sein. Die bei der Collins-Klasse verwendete Sonartechnologie eröffnet der U-Boot-Technik völlig neue Dimensionen. Um hier nur einige Beispiele zu nennen: mittels nuklearer Resonanz-Magnetometer kann das natürliche Magnetfeld der Erde gemessen und kleinste Anomalien registriert werden. So wird selbst dort noch das Eisen einer Kanone registriert, wo jedes menschliche Auge versagt. Sub-Bottom-Profiler schauen durch Sandschichten hindurch, Side-Scan-Sonare senden Fächer von Schallwellen auf den Meeresgrund. Schnelle Computer errechnen aus dem Echo einen Schattenriß, der so ähnlich aussieht wie die Ultraschallbilder beim Internisten.

Die Bedeutung dieser Technologie kann also gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Folgerichtig ist sie mehr und mehr in den Blickpunkt geheimdienstlicher Aufklärung gerückt. So berichtete die FAZ am 24. Oktober 1999, daß Israel einen neuen Geheimdienst mit dem Namen "Malmab" gegründet habe, dessen vorrangiges Ziel es sein soll, die israelische Rüstungsindustrie mit neuesten Forschungsergebnissen zu versorgen. Zu diesem Zweck unterhalte "Malmab" eine Abteilung von Computer-Hackern, deren Aufgabe es sei, in europäische oder amerikanische Rechner einzudringen. Die FAZ berichtet weiter, daß "Malmab" für gehörige Unruhe unter den deutschen Rüstungsfirmen sorge. Seit Jahresbeginn seien mehrere Einbrüche in Computersysteme festgestellt worden. Deutsche Sicherheitskreise mutmaßten, so der FAZ-Geheimdienst-Experte Udo Ulfkotte in seinem Bericht, Israel habe in jüngster Zeit in einem Bremer Unternehmen dessen "neueste Sonar-Technologie abgezogen". Israel, so Ulfkotte weiter, verkaufe die ausspionierten Informationen auch an andere Staaten weiter, um Allianzen zu schmieden.

Dieser Hintergrund dürfte das Veto der USA gegen die Beteiligung der HDW in Australien erklären. Getreu der von Brzesinski formulierten drei großen Imperative imperialer Geostrategie, wozu dieser die Verhinderung von Absprachen zwischen den Vasallen, die Aufrechterhaltung ihrer Abhängigkeit in Sicherheitsfragen und ihrer Tributpflichtigkeit zählt, erging das Veto der USA. In konkreten Fall kam offensichtlich der Imperativ Aufrechterhaltung der Abhängigkeit in Sicherheitsfragen zum Tragen, zu der aus Sicht der USA die Sicherung ihres waffentechnologischen Vorsprungs gehört.

Die Frage, inwieweit bei einem derartigen Geschäft zwischen einer australischen und einer deutschen Firma die USA überhaupt tangiert sind, stellt sich nur dem, der kein Verständnis für die enge Kooperation der angloamerikanischen Staaten (Kanada, Großbritannien, Neuseeland, USA, Australien) hat. Nicht zuletzt die Kooperation der genannten Staaten im internationalen Abhörkartell "Echelon" zeigt, wie stark die Interessenkonvergenz dieser Staaten ist.

Den Charakter des amerikanischen Pan-Interventionismus, wie er auch im Fall der Kieler HDW wieder zu beobachten ist, hat Carl Schmitt 1943 in seiner Studie "Die letzte globale Linie" auf den Punkt gebracht: "Die Aufhebung aller Maße und Grenzen, die den amerikanischen Pan-Interventionismus kennzeichnet, ist nicht nur global, sondern auch total. Sie betrifft auch die inneren Angelegenheiten, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Verhältnisse und geht mitten durch die Völker durch." Daran hat sich bis heute nichts geändert.


 
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