© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Rückruf in die Realität
Eine deutsche Schule ohne deutsche Kinder
Werner Olles

Für die meisten Kinder, die die Karmeliter-Schule im Frankfurter Bahnhofsviertel besuchen, wirken die lateinischen Buchstaben des Schriftzugs "Ohne Fleiß kein Preis", der über dem Haupteingang an der Frontseite des mächtigen Gründerzeitgebäudes prangt, wie Hieroglyphen. Sie können den Spruch nicht verstehen, weil sie entweder nur arabische, kyrillische oder griechische Schriftzeichen lesen gelernt haben, manche aber auch seit Jahren überhaupt keine Schule mehr besuchten, wie ein vierzehnjähriges türkisches Mädchen, dem die Eltern den Schulunterricht nach der Grundschule vier Jahre lang einfach verboten hatten. Statt dessen mußte das Kind daheim putzen, für die älteren Brüder Wäsche waschen und bügeln und ihnen Essen kochen. Keine Behörde, weder die abgebende Grundschule noch die weiterführende Schule, an der die junge Türkin bereits angemeldet war, kümmerte sich um den Verbleib des Mädchens. Traurige Realität in der angeblich so schönen und humanen multikulturellen Gesellschaft.

Traurige Wirklichkeit ist es auch, daß es in der Karmeliter-Schule inzwischen kein einziges Kind mehr gibt, dessen Muttersprache Deutsch ist. 180 Schüler aus 30 Nationen sind in der Grund- und Hauptschule mit dem höchsten Ausländeranteil in Frankfurt versammelt. Er beträgt zur Zeit 84 Prozent, der Rest befindet sich zwar im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, setzt sich jedoch aus eingebürgerten Türken, Marokkanern und einigen Spätaussiedlerkindern aus der ehemaligen Sowjetunion zusammen. Selbst nach Ansicht des Schulleiters Pius Verheul ist dies keine Schule im üblichen Sinne mehr, sondern allerhöchstens noch "eine pädagogische Ambulanz".

Bei den meisten Schülern dauert es mindestens ein Jahr, bis sie endlich beginnen, Deutsch zu sprechen. Sehr wichtig für solche Fortschritte ist vor allem das Bildungsbewußtsein der Eltern, das aber gerade in muslimischen Familien häufig nicht besonders stark ausgeprägt ist. Besonders bei Mädchen hält man es hier oft nicht für nötig, daß diese etwas lernen, wie der Fall der jungen Türkin zeigt. Hinzu kommt, daß speziell die türkischen, aber auch die übrigen Ausländer aus dem islamischen Kulturkreis, sich bevorzugt in ihren Ghettos bewegen, ihre eigene Muttersprache pflegen, was verständlich ist, und selbst zu Hause nur türkisches Fernsehen gesehen wird. So ist vorprogrammiert, daß diese Kinder schulisch versagen, später keine Lehrstelle oder keinen Arbeitsplatz bekommen und dadurch oft genug in die Kriminalität abrutschen.

Immerhin machen an der Karmeliter-Schule rund 30 Prozent der Schüler wenigstens ihren Hauptschulabschluß. Dies ist vor allem der pädagogischen Schwerstarbeit des Lehrerkollegiums zu verdanken, das außerdem sogar für die Mütter der Schüler viermal in der Woche kostenlos einen Deutschkurs anbietet.

Dennoch sinken hier die Schülerzahlen rapide. Die Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo, die in Pensionen und Übergangswohnungen untergebracht sind, ziehen weg, sobald das Geld für eine neue Wohnung in einem besseren Stadtviertel reicht. Das Bahnhofsviertel mit seinen Bordellen, Peep-Shows, Spielsalons und Videoläden, mit seinen Rauschgiftsüchtigen, die hier manchmal mitten auf dem Bürgersteig liegen, mit seiner Beschaffungskriminalität und Drogenprostitution gilt schon längst nicht mehr nur bei Deutschen als miserable Wohngegend.

Die Karmeliter-Schule, 1902 in einem damals vornehmen Stadtviertel gebaut, wirkt in diesem heruntergekommenen Viertel auch jetzt noch ein wenig wie eine Trutzburg. Daß sie inzwischen eine Schule ohne deutsche Kinder ist, gehört in Frankfurt am Main zum multikulturellen Alltag wie die schwarzafrikanischen Rauschgifthändler, die tschechischen Zuhälter und die kolumbianischen Prostituierten. Die Schüler werden jedenfalls – selbst wenn sie eines Tages Deutsch gelernt haben – immer Türken, Marokkaner, Kosovo-Albaner oder Bosnier bleiben. Dies scheint auch politisch so gewollt zu sein, wenngleich es allen Integrationsbemühungen Hohn spricht. Ob die jungen Ausländer eine realistische Chance haben, irgendwann auf ehrliche und anständige Art und Weise ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, ist eine andere Frage. Die freundliche und humane Multi-Kulti-Gesellschaft, in der jeder den anderen respektiert und toleriert, existiert nur in den Phantasien naiver Gutmenschen und linker Politstrategen. Mit der harten und oft sehr bösen Realität haben diese Phantasien jedoch nichts zu tun. Das Beispiel der Karmeliter-Schule in Frankfurt müßte genügen, um den Phantasten die Augen zu öffnen.


 
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