© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Gewonnene Seeschlacht
Italien: Die wiedererstarkte Lega Nord verhilft Berlusconis "Pol der Freiheit" zum Wahlsieg
Michael De Wet

Als im Herbst 1996 Umberto Bossi, Führer der Lega Nord, an der Po-Quelle in einer Zeremonie eine Ampulle mit dem "heiligen Wasser" seiner Heimat füllte und anschließend auf einem Katamaran in Richtung Venedig aufbrach, wo die Unabhängigkeit des Staates Padanien proklamiert werden sollte, taten das in- und ausländischen Medien als groteske Politfolklore ab. Nicht minder bizarr empfand mancher dieser Tage eine andere politische Bootsfahrt in italienischen Hoheitsgewässern: An Bord des Luxusschiffes "Excellent" steuerte Silvio Berlusconi in der Schlußphase des Wahlkampfes für die Regionalwahlen rund um Italien zehn Häfen an, um in dem 2.500 Gäste fassenden Konferenzraum des Schiffes Wahlkundgebungen zu veranstalten. Die Kreuzfahrt sicherte Berlusconi ein starkes Medien- und Publikumsinteresse und bootete zugleich seine Gegner aus, die durch eine neue Reglementierung der Fernseh-Wahlwerbung verhindern wollten, daß der Medienzar Berlusconi seine Sender zur Eigenwerbung nutzte. Mit an Bord: modernste Kommunikationstechnik für 250 Journalisten, denen Berlusconi die Arbeit so angenehm wie nur möglich machte.

Verstärkt um die Kriegsflotte der Lega Nord, verpaßte Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis "Pol der Freiheit" am vorigen Sonntag der italienischen Linksregierung einige schmerzhafte Breitseiten: Bei den Wahlen in 15 der insgesamt 20 italienischen Regionen trug das aus Berlusconis "Forza Italia" (FI), der Lega Nord, der Alleanza Nazionale (AN) von Gianfranco Fini sowie der christlich-konservativen CDU gebildete Bündnis mit landesweit 50,7 Prozent der Stimmen einen klaren Sieg davon. Das Bündnis aus Sozialisten, Grünen und der Volkspartei PPI – Nachfolgerin der einstigen Democrazia Cristiana – brachte es auf lediglich 45,1 Prozent.

"Nach der Allianz zwischen Berlusconi und Bossi in Norditalien müssen wir in den süditalienischen Regionen gewinnen, oder wir werden bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr kaum Chancen haben", orakelte Ministerpräsident D‘Alema kurz vor den Wahlen. Seine Koalition konnte sich zwar in traditionellen Hochburgen wie Emilia Romagna, Toskana und Umbrien behaupten, jedoch legte Berlusconis Pol auch im Süden des Appenin an Stimmen zu. In acht der 15 Regionen stellt nun die Rechte den Präsidenten.

Im Norden hatte die Linke ohnehin nichts zu bestellen: In Piemont errang das Bündnis unter Enzo Ghigo 52,4 Prozent, in Abruzzen kam der rechte Block auf 49,3 Prozent. In der Lombardei, dem Stammland der Lega, steigerte sich das Ergebnis auf eindrucksvolle 62,4 Prozent, und in Ligurien erreichte das Bündnis aus padanischen Regionalisten, FI, AN, CDU und der ligurischen Tierschutzbewegung mit 50,8 Prozent ebenfalls auf Anhieb die absolute Mehrheit.

"Die Norditaliener lehnen den römischen Zentralismus entschieden ab. Sie haben diejenigen bestraft, die die Föderalisten wie Kriminelle behandeln. Und sie bestrafen jene, die nicht begreifen, daß ein strenges Einwanderungsgesetz notwendig ist", erklärte Bossi beim Bekanntwerden der Wahlergebnisse und forderte umgehende Neuwahlen zum römischen Parlament. Ministerpräsident D`Alema wies dieses Ansinnen zurück, bot aber schon einen Tag später seinen Rücktritt an, was von Staatspräsident Ciampi jedoch abgelehnt wurde. Nun stellt sich D´Alema im Parlament der Vertrauensfrage.

Aufgrund des Mehrheitswahlrechtes kamen bizarre Bündnisse zustande. Doch während es die Mitte-Links-Koalition versäumte, die Linksliberale "Radikale Partei" der früheren Eu-Kommissarin Emma Bonino mit ins Boot zu nehmen, zierte sich Berlusconi weit weniger: In Abruzzen schloß er das Bündnis mit der altfaschistischen Movimento Sociale Italiano-Fiamma. Diese Partei besteht aus jenen Mussolini-Anhängern um Pini Rauti, die sich mit der Umwandlung des MSI zur AN unter Fini nicht abfinden konnten. Im EU-Parlament mit nur einem Abgeordneten vertreten, in Süditalien lokal aber ein gewisser Machtfaktor, gelang es dem MSI-F nun das wahlentscheidende Zünglein an Berlusconis Waage zu werden.

Derartige Zweckbündnisse sind pikant: Die Abgeordneten von FI sitzen im EU-Parlament in den Reihen der Europäischen Volkspartei, deren belgische und französische Mitglieder bekanntlich an vorderster Front des Österreich-Boykotts kämpfen. Die Lega hingegen läst keine Gelegenheit aus, um ihre Solidarität mit Jörg Haider zu bekunden. Und was die noch weiter rechten AN-Bundesgenossen betrifft: Hat schon einmal jemand von Listenverbindungen der CDU mit den Republikanern gehört? Berlusconi rechtfertigte seinen Bund so: Die rechtsextreme Fiamma sei ebenso faschistisch im Sinne Mussolinis wie die italienischen Kommunisten kommunistisch im Sinne von Stalin seien. Da aber letztere ins Mitte-Links-Bündnis aufgenommen worden seien, sollten in beiden Lagern die Bedenken gegenüber den extremen Anhängseln zurückgestellt werden.

Die Regionalwahlen gelten ein Jahr vor den Parlamentswahlen als ein wichtiger Stimmungstest. Das jetzige Resultat schockiert die amtierende Links-Regierung. Die schon mehrfach totgesagte Lega Nord hat mit einem glänzenden Resultat ihre Alpenfestung behauptet. Durch diesen Erfolg gestärkt, wird Bossi des Mitte-Rechts-Bündnis mit Berlusconi und Fini bereits nach acht Monaten wegen mangelnder Bereitschaft zu föderalistischen Reformen und allzu großer Nähe zur Großindustrie aufgekündigt. "Diesmal wird die Allianz halten" , versicherte Bossi noch am Wahlabend, allerdings nicht ohne den Hinweis " Wir sind für Italiens politische Zukunft entscheidend."

Der aktuelle Marschbefehl für die "Grünhemden" - so werden die Ordnungskräfte der Lega genannt- ist freilich moderater als vor vier Jahren: Heute geht es nicht mehr um den seperatistischen Befreiungskampf gegen den "verhaßten römischen Kolonialismus" sondern um die konsequente Förderung Italiens. Das Schlüsselwort heißt für Bossi "Devolution", sein Vorbild ist das in Schottland praktizierte Modell bundesstaatlicher, sukzessive sich ausweitender Selbstbestimmung innerhalb des Verbundes eines stark dezentralisierten Nationalstaates. Damit dürfte auch Berlusconi leben können -interessanterweise nahm er im zurückliegenden Wahlkampf das Wort "Föderalismus" öfter als früher in den Mund.


 
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