© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Rabattfreiheit für Konzerne
Das deutsche Rabattgesetz und Zugabengesetz ist Brüssel und den großen Handelskonzernen im Weg
Esther Grünwald

Schon vor mehr als 10 Jahren hatten die deutschen Einzelhandelskonzerne das Thema Rabattfrei-heit bis in den Bundestag gebracht. Ein von einem großen Handelskonzern abhängiger Politiker hatte die Abschaffung des Rabattgesetzes als angebliche Liberalisierung von Marktzwängen im Auftrag und Interesse dieses Einzelhandelskonzerns politisch betrieben und konnte nur mühsam noch von der CDU-Mittelstandsvereinigung und von der durch die HBV-Gewerkschaft mobilisierten SPD abgebremst werden.

Das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung begrenzen die Möglickeit von Nebenleistungen und insbesondere der Rabatte bei Verkäufen des Einzelhandels. Das Gesetz ist Anfang der dreißiger Jahre eingeführt worden, um den immer stärker um sich greifenden Rabattkrieg der Einzelhändler wieder auf die Konkurrenz von Preis und Leistung zurückzuführen und dem Kunden wieder ein klares Preisangeot vorzulegen.

Aus den gleichen Gründen ist das Rabattgesetz Anfang der fünfziger Jahre wieder eingeführt worden, wobei in den Diskussionen des Bundestages darauf hingewiesen wurde, daß dieses Gesetz keinen Händler daran hindert, seine Preise so festzusetzen, wie er will. Nur soll die Unsitte der Mondpreise mit anschließenden Rabatten verhindert werden, weil dies der Preisklarheit im Markt widerspricht.

Wie berechtigt die damalige Sorge vor Wettbewerbsverfälschung durch Rabatte und Sonderkonditionen im Verkauf gewesen ist, hat sich inzwischen auf der Einkaufsseite gezeigt: Der Einkaufswettbewerb ist längst von Preis und Leistung zum Rabatt- und Konditionenkampf degeneriert. Der gesamte Einzelhandel leidet darunter und ist seitdem gespalten in Marktteilnehmer, welche als kleine selbständige Händler ohne Marktmacht einkaufen müssen und deshalb keine oder nur geringe Konditionenzugeständnisse bekommen, und andererseits die großen Konzerne, welche mit geballter Marktmacht großer Einkaufsmengen um so höhere Konditionenvorteile erpressen können, je größer ihre Einkaufsmacht und ihr Einkaufsumsatz sind. Nicht die Marktleistung des Verkaufens entscheidet also, ob man erfolgreich im Einzelhandel sein kann, sondern die Marktmacht des Einkaufs entscheidet darüber, wie günstig man einkaufen und deshalb im Verkauf die Konkurrenten unterbieten kann. Auf diesem Machtmißbrauch ruhte der Markterfolg der großen Supermarktketten und Einzelhandelskonzerne. Aldi kauft bis zu 17 Prozent günstiger ein als ein Tante-Emma-Laden. Kein Wunder, daß die selbständigen Einzelhändler da nicht mehr mithalten konnten. Wer im Einkauf so große Konditionendifferenzen in Kauf nehmen muß, hat keine Marktchance mehr. Wir haben deshalb in den letzten 30 Jahren über 300.000 Einzelhändler nicht deshalb verloren, weil sie etwa schlechtere Verkaufsleistungen erbracht hätten als die Einzelhandelskonzerne, sondern nur, weil sie im Rabattkrieg der Beschaffungsseite den mächtigen Konzernen unterliegen.

Befragungen bei Kunden haben immer wieder ergeben, daß diese den selbständigen Einelhändler lieber aufsuchen würden, weil sie dort Rat und mehr Service finden, daß sie aber wegen meist günstiger Preise dann doch bei den Konzernen kaufen. Dieser Verkaufspreis ist aber wiederum nicht aus handelsspezifischen Gründen günstiger, sondern allein wegen der günstigeren Einkaufskonditionen. 43 Sonderkonditionen kombinieren die Konzerne miteinander: Von Preisnachlässen über Zuschüsse zu Sonderaktionen bis zu Diensleistungen der Regalbeschickung durch die Lieferanten. Alle diese Sonderaktionen werden den kleinen Einzelhändlern nicht gewährt. Kein Wunder, daß der selbständige Einzelhändler teurer sein muß. Als Hilfsmaßnahme haben sich in einigen Branchen die Händler zu Einkaufsgenossenschaften zusammengefunden, um ihre Rabattnachteile teilweise aufzuholen.

Die Mittelstandsvernichtung durch Rabattfreiheit im Einkauf soll nun durch Rabattfreiheit im Verkauf verstärkt werden. Insofern stecken hinter der angeblich liberalen Forderung nach Aufhebung des Rabattgesetzes nicht echte Entbürokratisierungsbestrebungen, sondern die Handelskonzerne, welche diese Forderung immer schon zum eigenen Nutzen und zum Schaden des Mittelstandes durchzusetzen versucht haben und dies nun auf der Euro-Schiene versuchen, weil sie gegenüber den nationalen Vorbehalten nicht richtig durchkommen.

Würde durch Euro-Richtlinie oder durch nationalen politischen Leichtsinn das Rabattverbotsgesetz fallen, dann könnten die Einzelhandelsgroßkonzerne Monats- und Jahresrabatte für das Gesamteinkaufsvolumen der Kunden anbieten und damit die Kunden vollständig an sich binden. Dann hätte ein selbständiger mittelständischer Einzelhändler sogar mit günstigeren Einzelangeboten keine Chance mehr gegen den Jahresgesamtrabatt der Konzerne.

Auf die Frage, ob der Kunde lieber beim Konzern einen Jahresrabatt von 500 Mark erreichen oder beim selbständigen Einzelhändler ein einzelnes Küchengerät 200 Mark billiger einkaufen würde, antworteten 82 Prozent der Befragten, daß sie in diesen Fällen das teurere Konzerngerät kaufen würden, sofern dies dem höheren Gesamtrabatt zugute käme.

Auf Grund solcher Befragungsergebnisse haben die Konzerne bereits Einkaufskarten vorbereitet, mit denen nicht nur bei Metro, im Kaufhof, bei Karstadt, bei Real, Praktiker oder Saturn für alle Käufe ein Jahresgesamtrabatt erreicht werden kann. Der Druck, dann nur noch in Filialen eines Konzerns zu kaufen, wird dadurch so groß, daß selbständige Einzelhändler auch mit günstigeren Angeboten keine echte Wettbewerbschance mehr haben, weil sie den gleichen Gesamtrabatt nicht bieten können. Der Konzentrationsprozeß durch Marktmacht der Einkaufskonzentration würde sich auch auf der Absatzseite mit der Marktmacht der Verkaufskonzentration fortsetzen und wohl 100.000 Einzelhändler vom Markt fegen.

Mit der Abschaffung des Rabattgesetzes wird nicht mehr Freiheit geschaffen, sondern Chancenungleichheit zugunsten der Konzerne und Freiheit zu Machtmißbrauch und zur Mittelstandsdiskriminierung geschaffen. Das teuflische an der Forderung nach Abschaffung des Rabattgesetzes ist der falsche Vorwand von Liberalität, Freiheit und Chancengleichheit, die angeblich gefördert, tatsächlich aber vorsätzlich ausgehebelt werden sollen. Die Konzernstrategie ist klug, hinterhältig, für harmlose Politiker und Journalisten einleuchtend und deshalb hervorragend geeignet, die eigentlichen Konzentrations- und Marktvorteilszwecke zu vernebeln.

Die Ankündigung unserer Bundesregierung, das Rabattgesetz abschaffen zu wollen, ist nicht böswillig und wohl keine vorsätzliche Mittelstandsschädigung. Sie muß deshalb darüber aufgeklärt werden, daß es hier nur um Konzernvorteile auf Mittelstandskosten geht. Verwirklicht sie diesen schädlichen Schritt dann trotzdem, wird sie sich mit Recht als Konzerndienerin und Mittelstandsfeind beschimpfen lassen müssen.


 
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