© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000

 
Belastende Gründe verzweifelt gesucht
Der nordrhein-westfälische Innenminister versucht einen Prozeß der JUNGEN FREIHEIT endlos zu verzögern
Dieter Stein

Vor wenigen Tagen hat das Düsseldorfer Innenministerium seinen Jahresbericht 1999 des Verfassungsschutzes vorgestellt. NRW legt schon wie in den Jahren zuvor seine rechtlichen Befugnisse und Kompetenzen weiträumiger aus als andere Landesämter. So wird die JUNGE FREIHEIT exklusiv seit dem im Frühjahr 1995 vorgestellten Bericht für das Jahr 1994 ausführlich auf mehreren Seiten erwähnt.

Die JUNGE FREIHEIT erhob nach längerer rechtlicher Prüfung und aufgrund eingetretener negativer wirtschaftlicher Folgen aufgrund der Rufschädigung durch den Verfassungsschutz am 9. August 1996 Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen das Innenministerium. Dem Innenministerium sollte untersagt werden, die JF als "rechtsextremistisch" zu bezeichnen, unter "Rechtsextremismus" einzuordnen, entsprechende Einordnungen seien zu widerrufen, und dem Innenminister sollte untersagt werden, die JF mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.

Aus einer Reihe von Gründen wird das Vorgehen des SPD-regierten Landes als unzulässig verworfen: NRW fehle die Verbandskompetenz, da die JF überhaupt nicht ihren Sitz in diesem Land habe; NRW dürfe nicht Vermutungen über eine Zeitung publizieren, wenn lediglich "Anhaltspunkte für den Verdacht" extremistischer Bestrebungen gesehen werden; es wird bestritten, daß die JF eine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete "Bestrebung" sei.

Verwaltungsgerichtliche Verfahren ziehen sich erfahrungsgemäß lange hin. Nach dem Austausch telefonbuchstarker Klageschriften und Erwiderungen fällte das Verwaltungsgericht Düsseldorf am 14. Februar 1997 eine erste Entscheidung gegen die JUNGE FREIHEIT, die dem Innenministerium zunächst Recht gab. Zuvor hatte der Innenminister gerichtsnotorisch festhalten lassen, daß die JF keineswegs als "rechtsextremistisch" eingeordnet werde, daß lediglich "Anhaltspunkte für den Verdacht" vorgebracht würden. Ferner bekräfigte NRW, die JF nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.

Manfred Brunner, Prozeßbevollmächtigter der JF in diesem Rechtsstreit, legte sofort einen Antrag auf Berufung ein, der nun seit mittlerweile drei Jahren beim Oberverwaltungsgericht Münster anhängig ist. Damit ist das Urteil des Düsseldorfer Gerichtes nicht rechtskräftig. Statt dessen versucht der Innenminister händeringend alljährlich neue Gründe zu finden, um die JF wieder im Verfassungsschutzbericht zu erwähnen. Wie bei allen Behörden hat man große Scheu, einen begangenen Fehler einzuräumen und zu korrigieren. Ferner hat man die JUNGE FREIHEIT ins Visier genommen, um demokratisch-rechte und konservative Positionen insgesamt zu diskreditieren und die Oppositionsparteien und das ganze bürgerliche Lager unter einen politisch-korrekten Repressionsdruck zu setzen, bestimmte Themen als "verdächtig" aus dem politischen Diskurs auszuklammern. Dazu zählt unter anderem die doppelte Staatsbürgerschaft, die Einwanderung, Kriminalität, der Euro, die Rechtschreibreform und die Wehrmachtsausstellung, die allesamt offenbar nicht kontrovers diskutiert sollen.

Nachfolgend zitieren wir auszugsweise aus dem aktuellen VS-Bericht:

Zielsetzung und allgemeine Entwicklung: Die JF bezeichnet sich selbst als "Wochenzeitung für Politik und Kultur". Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Meinungsbildung im vorpolitischen Raum zu beeinflussen. Dabei verfolgt sie eine von der "Neuen Rechten" praktizierte Strategie, die ursprünglich von dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci entwickelt wurde. Nach dieser Strategie wird als Voraussetzung für die Übernahme der politischen Vorherrschaft zunächst die Eroberung der kulturellen Hegemonie als Etappenziel angestrebt. Zu diesem Zweck werden die eigentlichen politischen Ziele nicht unmittelbar verfolgt. Vorrangig soll vielmehr zunächst ein schleichender Veränderungsprozeß in Gang gesetzt werden. Im Jahr 1999 war erkennbar, daß die JF sich verstärkt um Interviewpartner, die dem demokratischen Spektrum angehören, bemüht hat. Gleichwohl waren in ihren Veröffentlichungen auch weiterhin Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen festzustellen. Die wirtschaftliche Lage der JF scheint sich stabilisiert zu haben.

Aktuelle Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen: (...) Besonders engagiert beteiligte sich die JF an der Debatte um die "Doppelte Staatsbürgerschaft"; zu diesem Thema erschien eine Sonderbeilage (JF 10/99), die – so der JF-Chefredakteur – in einer Auflage von 100.000 Stück hergestellt und verteilt werden sollte; dazu ständen in ganz Deutschland "fast 100 junge Aktivisten ... für die JF bereit". Ein ständiger Mitarbeiter der JF (Berlins ehemaliger Innensenator und CDU-Politiker Heinrich Lummer; JF) gehörte zu den Organisatoren einer mehrtägigen Veranstaltung zur "Doppelten Staatsbürgerschaft" im April 1999, auf die in den Terminankündigungen der JF mehrfach hingewiesen wurde und für die in JF-Ausgabe 12/99 auch großflächig geworben wurde. (...)

Der Kosovo-Konflikt als Argument für rechtsextremistische Agitation

Die JF beteiligte sich intensiv an der auch im rechtsextremistischen Spektrum geführten Diskussion um die Beteiligung der Bundeswehr am Kosovo-Einsatz der Nato. Dabei wurden auch in der JF durchaus unterschiedliche Standpunkte vertreten. Zentraler Vorwurf war, daß die Absicht der Nato, den Menschenrechten Geltung zu verschaffen, nur als Tarnung für imperialistische Interessen gedient habe. In Ausgabe 15/99 veröffentlichte die JF ein großformatiges Inserat, in dem – unterlegt mit einem Foto der Angeklagten des Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesses – die Drohung "Rot-Grüne Kriegstreiber, wir warten auf Euch!" ausgesprochen wurde. (...)

Rassistisch motivierte Ausländerfeindlichkeit und Mißachtung der Menschenwürde: Ein besonders prägnantes Beispiel für die von Rechtsextremisten angewendete Strategie, Themen der öffentlichen Diskussion aufzugreifen und dabei zu versuchen, rechtsextremistische Denkansätze einzustreuen, enthält der Leitartikel der JF-Ausgabe 26/99. Vor dem Hintergrund der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien wird dort zunächst konstatiert, daß "die Bevölkerungsexplosion (und Disproportionen zwischen Kulturen!) bedrohliche Ausmaße" annehme. (...)

Elitenherrschaft statt parlamentarischer Demokratie: Im "Aufmacher"-Artikel der JF-Ausgabe 21/99 plädierte zum 50. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes unter der Schlagzeile "Eine Republik auf Probe" ein JF-Stammautor dafür, "über Schritte zu mehr direkter Demokratie und damit zu einer selbstbewußteren Nation nachzudenken". Da aber Volksabstimmungen allein noch kein "Allheilmittel" seien, müsse "neben der unmittelbaren Beteiligung des Volkes auch das Wiedererstehen einer kulturellen Elite anstatt einer wuchernden Parteienoligarchie" gefördert werden (...)

Die JF erwartet – angesichts solcher Vorwürfe – innerhalb der nächsten Wochen die Zulassung der Berufungverhandlung vor dem OVG Münster.


 
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