© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000

 
Aus dem Schattendasein erlösen
Das Gutenberg-Projekt hat sich zu einer stark besuchten Internetadresse gemausert
Björn Hauptfleisch

Freiwilligen Helfern ist eines der erfolgreichsten publizistischen Projekte der vergangenen Jahre zu verdanken. Das "Gutenberg-Projekt" hat sich seit seinem Start 1994 zu einer stark besuchten Internet-Adresse gemausert ( www.gutenberg.aol.de ). Über drei Millionen Seitenabrufe pro Monat beweisen das große Interesse an den hier gebotenen literarischen Werken.

Das Lesen in den Volltextfassungen kostet nichts. Ermöglicht wird dies durch eine Beschränkung auf Klassiker-Texte und auf neue Werke, die von ihren Autoren kostenlos zur Verfügung gesellt werden. Der Begriff "Klassiker" ist bei "Gutenberg" weit gefaßt und schließt alle Autoren ein, die vor mindestens 70 Jahren starben. In diesem Fall gelten die Urheberrechte als erloschen. Somit finden sich neben Aesop, Goethe und Eichendorff auch Werke von Klabund, Gorch Fock und Löns.

Insgesamt stehen in der Autorenliste mehr als 300 Einträge, darunter auch etliche fremdsprachige Autoren in deutschen Übersetzungen. Die beeindruckende Aufzählung wird aber dadurch relativiert, daß man bei den meisten Autoren nur einen Bruchteil des jeweiligen Gesamtwerkes lesen kann. Es macht sich bemerkbar, daß dieses Projekt nur zusammenträgt, was die freiwilligen Helfer für wichtig halten. Alle Besucher der Seite werden dazu aufgerufen, die bestehenden Lücken zu schließen. Das Mitmachen fällt leicht. Es reicht, ein Buch (oder einzelne Novellen, Fabeln, Gedichte …) in seinen Rechner einzugeben und an die Gutenberg-Redaktion zu schicken. Dank Scanner und automatischer Texterkennung bedeutet das sogar bei umfangreicheren Werken eine leicht zu bewältigende Aufgabe. Das Angebot wächst mit zunehmender Geschwindigkeit. Bis zu 70 Werke werden pro Monat neu ins Netz gestellt. Inzwischen gibt es auch eine CD-ROM-Fassung, die per Internetformular bestellt werden kann.

Außer den Werken bietet das Projekt Kurzbiographien der Autoren und als besonderen Clou eine Suchfunktion für Stichwörter in allen publizierten Werken. So sehr die lange Liste der Veröffentlichungen erfreut: Die Lücken sind noch groß und warten darauf, gefüllt zu werden. Ganz besonders natürlich mit solchen Werken, die trotz ihres literarischen und historischen Wertes im Buchhandel nur ein Schattendasein führen dürfen.


 
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