© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
Den Euro umgehen
Der schwindsüchtige Kunstwährung wird zum Dauerpatienten
Bernd-Thomas Ramb

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert. Nach diesem Motto hat die EU nun die Aufnahme Griechenlands in das gelobte Euroland beschlossen. Seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) kam nur ein ernstgemeint aussehen wollendes Stirnrunzeln, und die Devisenmärkte quittierten die wiederholte Mißachtung der sogenannten Konvergenzkriterien mit einem beschleunigten Absacken des Eurowechselkurses. Die maßgeblichen Politiker – also nicht der Bayer Stoiber – haben es aufgegeben, auf das nun nochmals vergrößerte Aufwertungspotential des Euro hinzuweisen, und begnügen sich mit dem Verweis auf die "innere Stabilität", gemeint ist die bislang noch nicht eingetretene Geldwertvernichtung durch Inflation. Die langjährigen Kritiker der EU-Kunstwährung und Mahner der falschgerichteten Europapolitik können sich mehr oder weniger vergnügt im Sessel zurücklehnen und befriedigt zur Kenntnis nehmen: Wir haben es gewußt und gesagt, aber niemand wollte auf uns hören!

Die Tatsache, daß im Euroland die Inflationsraten noch keine spürbaren Höhen erreicht haben, tröstet ebensowenig, wie die Weissagung des Finanzministers, irgendwann würden die Märkte schon merken, was sie Gutes am Euro haben. Vielleicht steigt der Euro ja wirklich irgendwann einmal an, aber wie schon der britische Wirtschaftstheoretiker und Erfinder der staatlichen Wirtschaftseingriffe, John Maynard Keynes, seinerzeit treffend bemerkte: Langfristig sind wir alle tot. Deshalb enerviert es am stärksten, wenn im Rahmen der Euro-Diskussion permanent auf Zukunftsdaten verwiesen wird, die sowohl von ihrer Größenvorstellung als auch vom Zeitpunkt ihres Eintreffens mehr als vage sind. Die dümmlichste aller Euro-Entschuldigungen ist das Lamento über die Wirtschaftskraft der USA. Erst wenn die abnehme, und irgendwann müsse es ja einmal zu Ende sein mit dem seit vierzehn Jahren andauernden amerikanischem Wirtschaftswunder, habe der Euro die Chance zu einem besseren Wechselkurs. Uns geht es also nur dann gut, wenn es den anderen weniger besser geht als uns. Das ist auch eine Form der sozialistischen Denkweise, die im EU-Europa ohnehin immer häufiger anzutreffen ist.

An zweiter Stelle der Hitliste politikintelligenter Bemerkungen zum Euro steht die Auffassung, der Außenwert einer Währung sei unerheblich, solange der Binnenwert stabil sei. Diese Einstellung kann sich ein weitgehend autarkes Land leisten, wie etwa die USA, für die der Außenwert ihrer Währung in der Tat in erster Linie ein Problem der ausländischen Staaten ist. Oder Länder, die sich diktatorisch für autark erklären und bereit sind, gravierende Wohlfahrtsverluste zu ertragen, wie das kommunistische Nordkorea. So weit ist das Euroland natürlich noch nicht. Der Zeitpunkt, zu dem die Güterimporte aufgrund des schlechten Wechselkursverhältnisses für immer mehr Europäer unbezahlbar werden, während die Ergebnisse ihrer Arbeit für einen Apfel und ein Ei in das Ausland verscherbelt werden, rückt jedoch näher. Der Verlust der Außenstabilität einer Währung bleibt nicht ohne Rückwirkung auf die Binnenstabilität, und diese Wirkung beschränkt sich auch nicht auf einen Einmaleffekt. Die Multiplikatorwirkung der gestiegenen Einfuhrpreise wird sich erst in den kommenden Monaten und Jahren mit voller Wucht auf das inländische Preisgefüge auswirken.

Möglichweise just zu dem Zeitpunkt, zu dem die Eurobürger persönlich zu spüren bekommen, was die Euroeinführung noch an zusätzlichen Folterungen beinhaltet, allen voran die Umstellung der Rechnungssysteme und der Umtausch der Banknoten und Münzen. Aber selbst dann wird die Bevölkerung des Eurolands nicht ernsthaft gegen den Euro aufmucken.

Ein Absagen des Euros ist nicht nur deshalb aussichtslos. Die Politiker befürchten, ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie sich jetzt für ein Ende mit Schrecken aussprechen, und vermeinen ihre Posten zu retten, wenn sie den Schrecken ohne Ende verniedlichen. Frankreich braucht den Euro, weil er die Deutschen schwächt. Die beitrittswilligen Länder wünschen den Euro, weil selbst er noch stärker als ihre eigenen Währungen ist. Die Deutschen werden den Euro nicht verhindern, weil ihnen sonst die Isolation droht, so die offizielle Diktion. Bestenfalls werden Großbritannien, Dänemark und Schweden den Euro vermeiden. Das wird ihn sicher nicht verhindern.

Das permanente Spannungsfeld des Euros führt aber ebenso sicher zu Gegenreaktionen. Im ersten kurzfristigen Schritt erfolgt seine Ablösung durch eine andere Währung. Schon jetzt werden zunehmend nicht nur außer-, sondern auch rein innereuropäische Geschäfte, auch im Euroland, auf Dollarbasis abgewickelt. Die Dollarnachfrage wird deshalb weiter ansteigen. Langfristig wird zudem der Anreiz steigen, ein alternatives Geld zu kreieren. Das Internet und seine weltweiten Märkte und Handelswege benötigen ein vertrauenswürdiges Zahlungsmittel. Kann dies unser oder ein anderer Staat nicht liefern, wird es unabhängig von Zentralbanken und staatlicher Kontrolle neu geschaffen.

Der Bedarf ist da und die Technik auch. Die wesentlichen Geschäfte werden somit künftig immer seltener über den Euro abgewickelt. Ihm verbleibt die Funktion, für die er von Anfang an allein prädestiniert war: eine Reise- und Urlaubswährung.


 
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