© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Schutzgelder
Karl Heinzen

Eine der historischen Wurzeln des Staates ist die Institutionalisierung der Schutzgelderpressung.Die fortschreitende Humanisierung unseres Zusammenlebens hat uns immer weiter von diesen Anfängen entfernt, ohne daß sie je ganz vergessen worden wären. Die Massenpraxis der Steuervermeidung belegt, daß auch die parlamentarische Demokratie die Menschen nicht davon überzeugt hat, daß staatliche Eingriffe in das eigene Eigentum grundsätzlich legitim sind. Auch für die Machthaber ist diese Situation alles andere als erfreulich. Sie können sich zwar sicher sein, daß es zu ihnen keine demokratische Alternative gibt. Sie wissen aber auch, daß die Bevölkerung es sich nicht nehmen läßt, wenigstens die da oben abwechselnd abzustrafen, wenn schon sonst nichts bewegt werden kann.

Angesichts dieses Dilemmas ist es also nachvollziehbar, wenn Hans Eichel nun davon spricht, erstmals ein sinnliches Verhältnis zu seinem Amt als Finanzminister zu entwickeln. Er darf etwas verkaufen, das niemandem gehört und dessen Veräußerung somit auch kein Mitbürger auf Anhieb als einen Angriff auf seine finanzielle Integrität begreifen muß. Bis zu 140 Milliarden Mark wird die Versteigerung von sechs Mobilfunklizenzen in die Staatskasse spülen. Das ist auch in Zeiten von New Economy ein Betrag, der nur wenigen nicht unter die Haut gehen dürfte.

Was tun mit dem schönen Geld? Die Ansichten gehen auseinander. Einen Anerkennungsbetrag hätte sich die Bundeswehr verdient. Sie sollte sich die Zukunftskommission, die am 23. Mai offiziell ihre Ergebnisse vorlegt, als Dauerinstitution leisten können, weil die Zukunft mit diesen Ergebnissen ja nicht bereits enden kann. Eine symbolische Zuwendung sollte auch das Wissenschaftsministerium erhalten – zum Beispiel, um an deutschen Hochschulen Informatikstudiengänge in den wesentlichen Sprachen des indischen Subkontinents anzubieten. Durch diese vorausschauende Politik könnten die deutschen Unternehmen ein wenig von den auf sie zukommenden Integrationskosten entlastet werden.

Ein billiger Populismus sind jedoch die Insinuationen, ausgerechnet die Staatsschuld zu senken. 140 Milliarden Mark decken gerade einmal die Zinszahlungen eines Jahres, die bei einer öffentlichen Verschuldung von knapp 2,4 Billionen Mark auflaufen. Viel kann damit also per se nicht bewegt werden. Einen Teil der Kosten werden sich die bei der Auktion erfolgreichen Unternehmen durch eine geringere Steuerlast – auch von den Ländern und Gemeinden – zurückholen. Den Rest werden sie auf die Handynutzer überwälzen.

Wenn es also jemanden zu entlasten gibt, dann ist es diese Bevölkerungsgruppe – zu einem Großteil Angehörige der jüngeren und mittleren Generationen. Auch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen ist also kongruent zur Finanzpolitik unseres Landes. Sie fördert die Umverteilung von jung zu alt.


 
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