© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
Auferstanden aus Ruinen
Aus der Konkursmasse der DVU-Fraktion in Sachsen-Anhalt ist eine neue bürgerliche Partei entstanden
Moritz Schwarz

Die Stimmung war still und ernsthaft und voller Zuversicht. Ein Aufbruchsgeist, der bereits mehr auf die zu bewältigenden Aufgaben konzentriert ist, statt sich billig aus der Schmähung des Überwundenen zu speisen. Mit solcher Ernsthaftigkeit überraschte am vergangenen Sonntag die Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) auf ihrem ersten Bundesparteitag in Naumburg an der Saale.

Die am 15. Februar dieses Jahres gegründete Partei ist die Neuformierung der "Ungläubigen" in der Deutschen Volksunion (DVU) Sachsen-Anhalts, die das Vertrauen des autoritären Münchner Parteivorsitzenden Gerhard Frey verloren haben. Empört verließen Anfang des Jahres acht Landtagsabgeordnete um die selbstbewußte Fraktionschefin Claudia Wiechmann die Magdebgurger DVU-Fraktion (die JF berichtete).

Doch statt sich in Grabenkämpfen gegen Frey endgültig zu desavouieren, widmete sich die neue Fraktion der politischen Tagesordnung und konnte sich in kurzer Zeit als kleiner aber ernsthafter Faktor in der sachsen-anhaltinischen Landespolitik behaupten. Nur fehlte der Truppe um die 44jährige Wirtschaftsingenieurin Claudia Wiechmann eine Partei. Sogleich machte man sich ans Werk und konnte in den ersten Wochen bereits knapp 150 Bürger, vor allem aus den mitteldeutschen Ländern, von dem neuen Projekt überzeugen.

Wer am vergangenen Sonntag eine Handvoll Einschlägiger in einem engen verrauchten Hinterzimmer einer verkommenen Kneipe erwartete hatte, sah sich getäuscht. Im großzügigen Saal eines Landgasthofes trafen sich über 90 Teilnehmer bei Rauchverbot und alkoholfreien Getränken zur Verabschiedung des Grundlagenprogramms ihrer neuen Partei. Maiensonne flutete durch große Fenster in den lichten Saal und umspielte freundlich gepaart mit klassischer Musik vom Band den ankommenden Besucher. Auch die gut vorbereitete Organisation, mit professionellem Ordnungsdienst in schwarzen Anzügen, farbigen Ausweisen für Medien, Besucher, Teilnehmer und straffer Führung durch den gewählten Versammlungsleiter, unterschied die Veranstaltung von dem befürchteten Hinterzimmertreff.

Die überwiegend männliche, altersmäßig gut gemischte Teilnehmerschaft vor allem kleinbürgerlicher Provenienz klatschte brav, wie von den Parteitagen etablierter Parteien bekannt, bei jeder vom Redner diesbezüglich angedeuteten Pause. Die Vortragenden wußten überwiegend ihren rhetorischen Mängel durch Engagement und Freude an der Sache wettzumachen. Deutlich schien den ein oder anderen die von der DVU nicht gewohnte Redefreiheit zu erregen: So fiel bei einer eigentlich nicht weiter spektakulären Kampfabstimmung vom Podium der Satz: "Liebe Freunde, ich glaube wir erleben gerade Demokratie live!"

Als es schließlich an die Einbringung der Anträge und deren Diskussion ging, erwies sich das zunächst doch etwas beängstigend ruhige Publikum durchaus als einmischungswillig. Diverse Anträge auf Änderung im Sinne einer Differenzierung und Liberalisierung der im Programm versammelten Grundsätze wurden verabschiedet. So wurde etwa eine Klausel, die die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ablehnte, von der Mehrheit mit dem Argument, mit einer so undifferenzierten Formulierung könne man diesen Menschen nicht gegenübertreten, aus dem Programm gekippt. In der Frage Gewalt in den Medien stimmte man das Wort "Verbot" heraus, da die FDVP sich zwar dem Kampf dagegen als einem Grundübel in unserem Volk vehement widmen wolle, schlichte Verbote aber nicht als geigneten Weg verantwortlicher Gesellschaftspolitik betrachtet. Eine weitere Stärkung erfuhr per Abstimmung der im Programm sowieso schon wohlbedachte Tierschutz. So möchte die FDVP den Schutz der Tiere in Zukunft auch als eigenes Unterrichtsthema in den Schulen berücksichtigt wissen.

Die FDVP bekennt sich in ihrem Programm zur Freiheit und Würde des Menschen sowie zur Wahrung des Nationalstaats. Das deutsche Gemeinwesen verdiene Vorrang in der deutschen Politik. Es gelte die Souveränität und Identität Deutschlands wiederherzustellen. Klar stellt sich die FDVP auch vor ständigen Angriffen ausgesetzten Minderheiten wie die deutschen Soldaten oder die Heimatvertriebenen. Die Wege der Globalisierung, wie der Euro oder die doppelte Staatsbürgerschaft, werden abgelehnt.

Grußworte sprachen Franz Nowak, Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft, sowie Joachim Nestler, Koordinator für die neuen Bundesländer der "Aufbauorganisation" von Alfred Mechtersheimer, zur Sammlung der konservativen Kleinparteien in Deutschland. Der überbrachte von seinem Besuch des jüngsten FPÖ-Parteitages in Klagenfurt Grüße des stellvertretenden Landeshauptmanns von Kärnten, und dessen Bitte alles zu tun, um auch in Deutschland eine freiheitliche Opposition aufzubauen.

Claudia Wiechmann beschloß den Parteitag mit einer die Programmatik zusammenfassenden Rede. Das zentrale Anliegen der FDVP sei, den Bürgern den Staat zurückzugeben, daraus leite sich eine Umkehr in der gegenwärtigen Politik, eine Rückkehr zu mehr Demokratie, etwa durch Volksentscheide und eine Besinnung auf die eigene Kultur ab. Pluralismus setzte sie gegen Multikultur und Europa gegen die EU.

Die FDVP präsentierte sich mit diesem ersten Parteitag als moderne, bürgerliche Formation mit überraschendem Potential. In erstaunlich kurzer Zeit ist es der Führungsriege um Parteichefin Wiechmann gelungen, aus einem kleinen Haufen von Versprengten einen soliden Parteikern zu schmieden. Doch bleibt das Damoklesschwert der Landtagswahl in zwei Jahren, wie die Partei den Urnengang überstehen will, ist ein Geheimnis. Denn feste Überzeugung und Rechtschaffenheit alleine verbürgen noch keinen Erfolg.


 
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