© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
PRO&CONTRA
Sowjetische Ehrenmale bewahren?
Götz Eberbach / Jochen Stern

Die Sowjetehrenmale sind erstens Gedenkstätten für die gefallenen Soldaten der Roten Armee, zweitens Zeichen des Sieges der UdSSR über Deutschland. Sie sind rechtlich geschützt. Sie sind nicht nur Symbole eines von uns abgelehnten Systems, sondern auch Gedenkstätten des russischen Volkes, das auf seinen Sieg 1945 stolz ist und das wir uns genausowenig zum Feind machen sollten wie das Volk der USA. Ich war immer ein überzeugter Antikommunist, aber nie ein Feind der Russen.

Darüber hinaus sind diese Gedenkstätten ein Teil unserer deutschen Geschichte, auch wenn das vielen Menschen nicht gefällt. Es ist heute eine Unsitte, Monumente einer Periode der Geschichte, an die man sich nicht mehr erinnern will, zu zerstören. Die DDR hat ja deshalb das Berliner Stadtschloß, die Potsdamer Garnisonskirche und andere Bauwerke des alten Deutschland zerstört, die UdSSR ebenso die deutschen Soldatenfriedhöfe in der Sowjetunion und die meisten historischen deutschen Bauwerke in Ostpreußen. Ähnliche Tendenzen gibt es auch im Westen. Sollen wir das nachmachen? Meint man, damit unangenehme historische Ereignisse ungeschehen machen zu können? Diese Gedenkstätten zeigen uns, daß die deutsche Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Aber sie sollten nicht allein stehen. Man sollte daneben neue Gedenkstätten schaffen: neben das Ehrenmal in Treptow zum Beispiel eine Gedenkstätte für die Ermordeten, die geschändeten Frauen und die deutschen und ausländischen Soldaten und Hitlerjungen, die bei dem vergeblichen Versuch, all dies zu verhindern, den Tod fanden. Für die von den Kommunisten Verfolgten und die, die das DDR-System stürzten. Erinnert werden sollte aber auch an jene Politiker, die der deutschen Einheit opportunistisch abgeschworen hatten.

Ein Volk lernt nämlich nicht nur aus seinen Siegen, sondern auch aus seinen Niederlagen, nicht nur von seinen Helden, sondern auch von seinen Schurken.

 

Götz Eberbach ist Chefredakteur der Zeitschrift "Kameraden – unabhängige Zeitschrift für alte und junge Soldaten"

 

 

Es sollte 55 Jahre nach Kriegsende und zehn Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Frage erlaubt sein, ob Ehrenmale der Sowjetunion auf deutschem Boden noch aktuell und demzufolge akzeptabel für die Bevölkerung sind oder nicht. Die triumphalen Denkmäler in Berlin-Friedrichshain, Treptow und Tiergarten symbolisieren in erster Linie nicht die Befreiung Deutschlands vom Hitler-Faschismus, sondern den Triumph des Siegers. Man sprach daher auch von sowjetischer Seite niemals von einem Mahnmal gegenüber den Deutschen, sondern stets vom Ehrenmal.

Ehrenmäler sind Denkmäler zugunsten des Siegers. Sie beinhalten die materielle und ideelle Überlegenheit und den Opfertod gefallener Soldaten. Und nur das zählte – nicht, ob die deutsche Bevölkerung solche Erinnerungskultur für notwendig hielt. Die Befreiung sollte dokumentieren, daß vorerst die SBZ und später womöglich ganz Deutschland sowjetkommunistisch werden sollte mit allen Facetten und Ingredienzien, die die Deutschen dann kennengelernt haben. Befreiung hätte es sein können (und müssen), wenn den Deutschen nach dem totalitären Faschismus endlich Freiheit gewährt worden wäre. Aber das fand durch den Sieger Sowjetunion eben nicht statt. Vielmehr erlebten die Deutschen die zweite Diktatur mit unmenschlichem Antlitz. Folglich ist die Erinnerung an die Besatzungsarmee in der SBZ nicht kompatibel mit der Erinnerungskultur, sprich den Denkmälern.

Da sie vor allem auch machtpolitischen Charakter besaßen, also nicht für die Freiheit des deutschen Bürgers standen, der ohnehin achtlos an diesen Kultstätten vorübergeht, dürfte der Erhalt solcher Sowjetdenkmäler keine Relevanz mehr haben. Die Denkmäler zu Ehren gefallener Sowjetsoldaten auf Friedhöfen in Deutschland haben ihre Berechtigung und müssen erhalten bleiben. Denkmäler der Selbstdarstellung von Machterhalt aber nicht. Deshalb plädiere ich für deren Abrüstung. Ohne Ausnahme.

 

Jochen Stern saß 1947–1954 erst in Sowjet-, dann in DDR-Haft. Der ORB sendet in diesem Sommer eine Dokumentation über ihn.


 
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