© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
Nichts Neues
Kino: "East is East"
Moritz Schwarz

In England war der Film der Überraschungserfolg 1999, hat dort die Auszeichnung für das beste Drehbuch des Jahres erhalten und ist gar für den europäischen Filmpreis nominiert. Und dennoch fragen wir uns, hatten wir das nicht alles schon einmal?

Der pakistanische Empire-Brite George Khan, Besitzer eines Fish’n’Chips-Shops, ist nicht umsonst von seiner Familie mit dem Spitznamen "Dschingis" bedacht worden. In der nordenglischen Provinzstadt Salford hat er sich eine bescheidene, aber stolze kleinbürgerliche Existenz aufgebaut. Er gebietet über sieben Kinder und eine Ehefrau und ist hauptsächlich damit beschäftigt, innerhalb der pakistanischen Zuwanderer-Gemeinde von Salford den pater familias zu mimen. Während seine englische Frau Ella sich im gemeinsamen Laden die Füße platt steht, ergeht er sich in Traditionspflege und Familienangelegenheiten und läßt sich nur ab und an hinter der Verkaufstheke sehen. Und dann ist er, statt Fisch zu putzen, damit beschäftigt, den pakistanischen Kurzwellensender zu hören oder er steht rauchend am Fenster, um die Vorgänge auf der Hauptstraße des Viertels zu überwachen und das väterlich-strenge Auge auf seinem auf der Straße spielenden Jüngsten ruhen zu lassen. Doch sowohl Ella wie auch die Kinder akzeptieren den herrschaftlichen Anspruch des Vaters nur noch um des lieben Familienfriedens willen. Längst haben fünf der sechs Söhne und auch das wirbelige Fräulein Tochter eigene Pläne und überhaupt keine Lust auf Beschneidung, Koran-Schule und andere Moslemsitten.

Drehbuchautor Ayub Khan-Din hat mit "East is East" ein Theaterstück vorgelegt, das sich 1996 an verschiedenen Bühnen Großbritanniens zum stets ausverkauften Geheimtip mauserte. Auch die Produzentin Leslee Udwin sah es und überzeugte den Autor, ihr eine Drehbuchfassung zu schreiben.

Der Humor des Films mundet zwar die erste halbe Stunde, dann aber verlangt man nach Gehaltvollerem und bleibt hungrig zurück. Zumal dem Stück die Kraft und Tiefe fehlt, um mehr als nur eine Komödie mit ernsthaften Anklängen zu sein. So daß als die Sache schließlich ernst wird und der alte Khan im Kampf um die Kinder seine Frau grün und blau schlägt, der Regisseur sich des Stilbruchs schuldig macht, mag er auch bei noch so vielen Zuschauern Mitleid geweckt haben.

Und auch das puderzuckerdünne morgenländische Flair verbraucht sich angesichts der aus der klassischen abendländischen Familientragödie bestens bekannten Problematik, eh’ man sich’s versieht. Aus dem Osten nichts Neues.


 
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