© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000


Abgekoppelte Armee
von Alexander Schmidt

Die Bundeswehr ist laut Weizsäcker-Kommission "zu groß, falsch zusammengesetzt und zunehmend unmodern." Das weis auch jeder andere, der schon einmal in die Verlegenheit kam, anderweitig mit der Truppe in Kontakt zu kommen. Durch Truppenreduzierung – so sollen 30.000 Wehrpflichtige pro Jahr ausreichen – will man eine Truppe von kampftechnischer Qualität, die bei internationalen Einsätzen in nichts nachsteht. Was sonst noch in dem Papier erarbeitet wurde ist, eigentlich egal. Denn Verteidigungsminister Scharping schätzt eher Alleingänge, die dann von seinem Stab wieder hingebogen werden müssen.

Fakt ist, daß die Bundeswehr erstmals in einer völlig neuen Funktion Gestalt gewinnt, als professionelle Quasiberufsarmee, die zwar noch durch Wehrdienstleistende unterstützt wird, aber bald nicht mehr darauf angewiesen ist. Die Existenzberechtigung hat sich mit jedem Auslandseinsätze von der Landesverteidigung zur schnellen Eingreiftruppe hinwegbewegt. Das bedenkliche daran ist , daß dies auf keinerlei gesellschaftliches Interesse stoßen. Zu den "Jungs in grün" pflegt man eine gesunde Distanz. Daß sich jedes Jahr junge Männer mit einem offensichtlich anachronistischen Gelöbnis dazu bekennen, ihre Gemeinschaft zu verteidigen, wird nur noch belächelt. Dieser Entwicklung wird mit einer weiteren Abkopplung der Streitkräfte durch eine Armee, die nach den Reformplänen entstehen wird, mehr und mehr Vorschub geleistet. "Ich zahl für Dich – Du kämpfst für mich" wird der Gesellschaftsvertrag des 21. Jahrhunderts lauten.


 
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