© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/00 09. Juni 2000


Verspätete Standhaftigkeit
von Ivan Denes

Seitdem am 18. Juni 1998 der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder dem Bremer Juristen Klaus von Muenchhausen die Gründung einer Stiftung für die Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter zugesagt hatte, haben die Verhandlungsführer der Bundesregierung und der Wirtschaft eine Konzession nach der anderen vollzogen. Zunächst stand die Absicht, frühere deutsche Leistungen aufzurechnen. Dann wurde auf die Entschädigung für Zwangsarbeiter innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 verzichtet.

Die Gesamtsumme wurde Schritt für Schritt immer höher geschraubt. Zum ersten Mal versucht jetzt die deutsche Seite – in der Frage der sogenannten "Rechtssicherheit" für deutsche Unternehmen gegen zukünftige Klagen in den USA – Standhaftigkeit zu bekunden. Die Amerikaner pochen auf eine der wenigen ihrer übriggebliebenen Tugenden, die Unabhängigkeit ihrer Gerichte. Otto Graf Lambsdorff fordert von den USA mehr Entgegenkommen. Und der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, läßt sogar durchblicken, die Wirtschaft könnte mangels Rechtssicherheit ihren Beitrag zurückziehen. Nur hätten Regierung und Wirtschaft von Anfang an wissen müssen: es kann keine vollkommene Rechtssicherheit geben. Es wird sich immer ein eigenwilliger Richter finden, der die "letter of interest" seiner Regierung in den Wind schlagen und ein antideutsches Trotzurteil verkünden wird – schon um seine Unabhängigkeit erneut unter Beweis zu stellen.


 
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