© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
"Aufräumarbeiten und Hilfe beim Wiederaufbau"
Heimattreffen: Die Sudetendeutschen haben nur noch wenig politische Freunde – Forderung nach Entschädigung vertriebener Deutscher
Jörg Fischer

Hunderttausende versammelten sich bei den traditionellen Pfingsttref-fen der Vertriebenen. Mit sportlichen Wettkämpfen und einem Trachtenzug begann in Ulm der "Heimattag 2000" der Banater Schwaben – er stand ganz im Zeichen ihres 50. Gründungsjubiläums. Die Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen traf sich in Unterelchingen bei Ulm und in Dinkelsbühl fanden die Heimattage der Siebenbürger Sachsen statt.

Die größte und am prominentesten besetzte Veranstaltung war der 51. Sudetendeutsche Tag in Nürnberg. Zu dem Treffen unter dem Motto "Vertreibung weltweit ächten" hatte die Bundesregierung – erstmals in der Geschichte – eine finanzielle Unterstützung der Veranstaltung abgelehnt. Scharfe Angriffe und Pfiffe – nicht nur gegen Rot-Grün in Berlin – prägten das Pfingsttreffen auf dem Messegelände. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber warf in seiner Festrede Kanzler Schröder vor, einen "eiskalten Schlußstrich" zu ziehen und die Anliegen der Vertriebenen unter den Tisch zu kehren. Der CSU-Politiker setzte sich für eine Entschädigung von rund 2.000 vertriebenen Sudetendeutschen aus Mitteln des deutsch- tschechischen Zukunftsfonds ein. Die Zahlungen sollten dabei einer besonders schwer von Vertreibung und Zwangsarbeit betroffenen Gruppe Heimatvertriebener zugute kommen, so Stoiber. Keineswegs gehe es etwa um "Reparationen, sondern um die Anerkennung von Leid, um eine humane Geste", fügte der Bayer hinzu. Der neue Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Johann Böhm, kündigte wegen "Verweigerung diplomatischen Schutzes" gar eine Klage gegen die Regierung vor dem Verwaltungsgerichtshof Berlin an. Er kritisierte, "daß uns mehr Probleme in Berlin als in Prag bereitet werden". Besonders viele Buh- und Pfui-Rufe zog in Böhms Rede die nicht anwesende Grünen-Politikerin Antje Vollmer auf sich, die die Sudetendeutschen offen angegriffen hatte. Mit viel Beifall und als Kaiserliche Hoheit wurde der Ehrengast Otto von Habsburg begrüßt, denn: "Die Herzen der sudetendeutschen Landsleute gehören Ihnen", sagte der scheidende Landsmannschaftchef Franz Neubauer.

Auf Widerspruch stießen die Forderungen der Vertriebenen beim tschechischen Ministerpräsident Milos Zeman. Bei einer Gedenkfeier zum 58. Jahrestag des "Massakers von Lidice" sagte der Sozialdemokrat: "Wir würdigen jene ehemaligen deutschen Mitbürger, die aktive Antifaschisten waren und gegen Hitler gekämpft haben. Aber niemals werden wir jene würdigen, die Hitlers fünfte Kolonne waren, die tschechoslowakische Republik zerschlagen haben und Verräter waren." Der Prager Genosse weiter: "Herr Stoiber ist für mich kein Partner, und ich sehe keinen Grund, warum ich mit ihm diskutieren sollte – ob von Angesicht zu Angesicht oder über die Medien." Auch Prags Außenamtssprecher Ales Pospisil lehnte jeden direkten Dialog mit den Nachkriegsvertriebenen ab. Man betrachte allein die Bundesregierung als Partner.

Noch klarer lehnt erklärt die innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, Forderungen ab, "Deutsche, die nach 1945 in der von der Wehrmacht befreiten Tschechoslowakei zu Aufräumarbeiten und Hilfe beim Wiederaufbau gezwungen wurden zu entschädigen", denn es sei "ein neuer Versuch, die deutsch-tschechische Aussöhnung zu torpedieren und die deutschen Verbrechen während der NS-Zeit zu relativieren". Die Bundesregierung müsse "zu diesen rechtsextrem durchsetzten Verbänden, die an schlimme alldeutsche und pangermanische Traditionen anknüpfen, endlich einen klaren Trennungsstrich ziehen", so die aus Hamburg stammende PDS-Politikerin in einer Presserklärung.


 
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