© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
Der Kampf gegen das innere Trianon
Ungarn: Die Konservativen gedenken dem Friedensvertrag von 1920 - Ein Drittel der Ungarn lebt seither unter fremder Herrschaft
Miklós Barti

Schon im Vorfeld des für Ungarn so tragischen Jubiläums gab es eine breit geführte öffentliche Diskussion über die Ursachen und Nachwirkungen der Pariser Vorortverträge. Dabei konnte man quer durch alle Parteien einen bemerkenswerten Konsens feststellen: der Vertrag von Trianon war ungerecht, hinterhältig und gemein, hatte er doch eine übernationale Ordnungsstruktur zerschlagen und den neuen Minderheiten den versprochenen Schutz nicht gewährt.

So war es nicht verwunderlich, daß die Demonstrationen am 4. Juni ein breites Echo in der Bevölkerung fanden. Aber man feierte – wenn überhaupt – nicht gemeinsam. Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) des Ex-Ministerpräsidenten Gyula Horn und die Linksliberalen (SZDSZ) – die als einzige Partei den EU-Österreich-Boykott befürworten – hatten keine Gedenkfeier veranstaltet, während die bürgerliche Regierungskoalition unter Minsterpräsident Viktor Orbán (Fidesz) in der Provinz, unter Beteiligung von mehreren tausend Teilnehmern, an die besondere Tragik des Tages erinnerte. Die mit Abstand größte Demonstration mit mehreren zehntausend Teilnehmern hingegen fand im Herzen von Budapest, auf dem Heldenplatz, statt. Organisiert wurde sie von der rechten Oppositionspartei im Parlament, der Partei der Ungarischen Wahrheit und des Lebens (MIÉP). Das Programm war eine bunte Mischung: Vertreter der Auslandsungarn berichteten von der aktuellen Situation, Gedichte wurden rezitiert und immer wieder patriotische Lieder gesungen. Außerdem las man verschiedenen Stellungnahmen von hohen internationalen Politikern der zwanziger Jahre vor, die damals "Justice for Hungary!" gefordert hatten. Schließlich sprach der Parteivorsitzende István Csurka selbst und forderte keine Grenzrevisionen, da der Vertrag durch das Verschwinden der Vertragspartner sowieso obsolet geworden sei. Vielmehr warnte er vor einem neuen Trianon in Gestalt des Schengener Abkommens nach dem Beitritt Ungarns zur EU, da damit Siebenbürgen und die Karpato-Ukraine endgültig zur "östlichen Interessensphäre" gehören würde. Wenn die Nationen und Kulturen Europas, so Csurka weiter, nicht an dem seelenlosen Monetarismus der Brüsseler Bürokratie zugrunde gehen wollten, müßten sie sich gemeinsam zur Wehr setzen. Dies könne aber nur dann geschehen, wenn die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit, etwa die Pariser Vorortverträge oder die Benesch-Dekrete, als solche benannt und einvernehmlich mit allen Beteiligten gelöst würden. Csurka wies in seiner Rede darauf hin, daß es nicht ausreiche, immer nur bei anderen oder im Ausland die Schuld an der ungarischen Misere zu suchen, vielmehr müsse man auch gegen die eigenen Schwächen, gegen das "Innere Trianon", schonungslos angehen.


 
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