© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
Visuelle Sprache
Eine Ausstellung im Berliner Bauhaus-Archiv
Rüdiger Ruhnau

Das Berliner Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte des Bauhauses zu erforschen und die Ideen dieser bedeutenden Schule für Design, Kunst und Architektur einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neben einer ständigen Ausstellung, in der Beispiele aus allen Arbeitsbereichen des Bauhauses gezeigt werden, findet zur Zeit eine Sonderausstellung zum 100. Geburtstag des Malers Herbert Bayer (1900–1985), ehemals Meister am Bauhaus, statt.

Das Bauhaus, von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau umgesiedelt und von 1932 bis 1933 als Privatinstitut in Berlin weitergeführt, hat nicht nur in der Zeit seines Bestehens, sondern bis auf den heutigen Tag einen wirksam gebliebenen Einfluß auf die internationale Kunstentwicklung ausgeübt. An der Hochschule für Gestaltung überwog immer die große Mehrheit der nur an der Kunst interessierten Lehrer und Studenten, dennoch brachte es eine Handvoll politischer Fanatiker fertig, dieser staatlichen Institution ein kommunistisches Mäntelchen zu verpassen. Der hochangesehene Architekt Gropius, ehemaliger preußischer Offizier, wies in Übereinstimmung mit dem Meisterrat wiederholt darauf hin, daß "jede politische Betätigung der Studierenden im Bauhaus, gleich von welcher Seite, untersagt wird unter Androhung des Ausschlusses". 1928 legte Walter Gropius sein Direktorenamt nieder, die politischen Querelen hatten seine Schaffenskraft zunehmend gelähmt. Mit ihm verließen die Meister – seit zwei Jahren führten sie den Professorentitel – Herbert Bayer, Laszlo Moholy-Nagy und Marcel Breuer die Hochschule für Gestaltung.

Herbert Bayer, in Haag/Oberösterreich geboren, erwarb erste Erfahrungen mit typographischen Entwürfen im Kunstgewerbe-Atelier von Georg Schmidthammer in Linz. Ab 1921 Student am Staatlichen Bauhaus Weimar, nahm er an dem berühmtem Vorkurs von Johannes Itten teil und studierte dann in der Werkstatt für Wandmalerei bei Oskar Schlemmer und Wassily Kandinsky. Man entwickelte Grundsätze farbiger Raumgestaltung, wobei die Farbe als architektonisches Element aufzufassen war. Im Mittelpunkt der Bauhaus-Pädagogik stand die Einheit von Theorie und Praxis. Als die thüringische Landesregierung von dem umstrittenen Bauhaus verlangte, sich in einer Präsentation darzustellen, bauten Lehrer und Schüler gemeinsam die erste Bauhausausstellung 1923 auf. Mit einem gewaltigen Reklameaufwand an Plakaten, Prospekten, Postkarten, Spruchbändern trommelte man beispielsweise an vielen Bahnhöfen Deutschlands für die Weimarer Werbeschau. Hier fand Herbert Bayer das ihm adäquate Betätigungsfeld. Seine phantasievollen Entwürfe sind heute zu betrachten, darunter auch der Einband des Katalogbuches mit roter und blauer Schrift auf schwarzem Grund. Das Katalogbuch ist verschiedentlich als "Inkunabel des Funktionalismus" eingestuft worden.

Die gleichzeitige Ausbildung durch einen Handwerksmeister und einen als Formmeister tätigen Künstler brachte didaktische Probleme mit sich, die erst verschwanden, nachdem aus dem Bauhaus Absolventen hervorgingen, die beide Seiten beherrschten: Handwerk und Kunst, Technik und Form. Bayer erfand eine visuelle Sprache, die in der angewandten Graphik nicht zu übersehende Auswirkungen hinterlassen hat.

Aus der Werkstatt für Malerei entstand die Reklameabteilung und schließlich in Dessau die von Bayer geleitete Lehr- und Versuchswerkstatt für Typographie und Werbung, wo die von Moholy-Nagy als arteigene Bauhaus-Typographie begonnene funktionelle Satzgestaltung fortgeführt wurde. An einer Auswahl von Schriftstücken, Programmen oder Inseraten fällt die klare Lesbarkeit infolge der optischen Abstufung auf.

Seine in der gegenwärtigen Berliner Ausstellung gezeigten Arbeiten belegen, daß die "Moderne" auch im Dritten Reich ihren Platz hatte, modern hieß damals in Deutschland eindeutig "funktionalistisch" oder "sachlich". Die Zweckmäßigkeit der Gebrauchskunst trat in den Vordergrund der neuen Formgestaltung, die Einheit von Form und Material setzte sich durch. Wenn auch der Name "Bauhaus" offiziell nach 1933 nicht mehr auftauchte, so prägten doch seine Ideen und Entwürfe an vielen Stellen das künstlerische Schaffen im Nationalsozialismus.

Herbert Bayer übernahm die Leitung des Berliner Büros der Werbeagentur Dorland. Er entwarf Plakate und Kataloge der drei wichtigen Ausstellungen "Deutsches Volk und deutsche Arbeit" 1934 in Berlin, "Wunder des Lebens" 1935 und "Deutschland-Ausstellung zur Olympiade 1936". Nicht alleine die Exponate, sondern die Strukturierung des Raumes, das Anzeigen der Laufrichtung, kinetische Objekte, Leuchtschriftbänder und Fotomontagen bestimmten das noch junge Ausstellungsdesign. Bayers Plakate sind authentische Zeitdokumente. Für die Zeitschrift "Die neue Linie" entwarf er ein von Eleganz der Linienführung bestimmtes Aussehen, das dieser exklusiven Lebensstil-Illustrierten bis in die letzten Friedensjahre ein unverwechselbares Titelbild verlieh.

1938 übersiedelte Bayer nach New York. Als künstlerischer Berater verschiedener Institutionen warb er in den USA für das zeitlose Design. 30 Jahre später besuchte er noch einmal Deutschland und war Mitgestalter der Stuttgarter Rückschau "50 Jahre Bauhaus". Neben Walter Gropius ist Herbert Bayer wohl derjenige Künstler, der am nachhaltigsten das heutige Bauhausbild geprägt hat.

 

Die Ausstellung ist im Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, Berlin-Tiergraten, zu sehen.


 
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