© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
Comedy-Kultur: Dem deutschen Lach-TV zappen die Zuschauer davon
Jetzt ist Schluß mit lustig
Jutta Winckler-Volz

Armer Olli. Obwohl Oliver Dittrich, vormals Protagonist von RTLs "Samstag Nacht"-Jux-Show, sich von Talkshow zu Talkshow reichen, sich ohne Widerworte als "neuen Loriot" abfeiern ließ, zappen die TV-User massenhaft weg, wenn er auf dem Bildschirm erscheint. Die selbsternannten Niveau-Retter vom Mainzer Lerchenberg, Adenauers Zweitkanal für die konsumfaule Bevölkerungsgruppe im 49-plus-Getto, gaben Olli eine Soloschau; schon im Titel stand die den altbackenen Ufa-Schinken eines Harry Piel ("Abenteuer am Nil") näher als den spaßgesellschaftlichen Abschaltbedürfnissen der BRD-Angestelltenschaft: "Olli, Tiere, Sensationen" ist bereits TV-Geschichte, setzte das ZDF doch jüngst seinen Niveau-Clown vom Sonntagabend nach wenigen Folgen ab. Dabei gab Olli sich die größte Mühe, schlüpfte in die Haut solch eigenartiger Zeitgenossen wie Zuhälter und Literaturkritiker es nun einmal sind. Olli sprach wie sie, sah aus wie sie, doch er scherzte nahezu unter Ausschluß der TV-Öffentlichkeit. Sein Schicksal teilt er mit diversen Vorgängern auf diesem Sendeplatz: "Salto Kommunale" mit dem wuseligen Sachsen Wolfgang Stumph geriet ebenso in den Sinkflug wie der klamottige "Lukas" des schwulen Bonner Fettwanstes Dirk Bach. Olli setzte seinen Ruf ebenso aufs Spiel wie RTL-Kumpan Wigald Boning, mit dem er als "Die Doofen" zwischenzeitlich Tonträger ("Achselschweiß") in erklecklicher Zahl verkaufte. Wigald schien Ollis Talfahrt zu teilen, der nach mehrjährigen "RTL Samstag Nacht"-Triumphen zu Gottschalks "Wetten-daß"-Außendienstler verkommen ist. Mit seinem aktuellen Solo-Blödelhit "Gimme more Moorhuhn" scheint Boning seinen Absturz ins mediale Nichts vorerst gestoppt zu haben.

Beide Spaßvögel gelten als Gründerväter des hiesigen Comedy-Booms der neunziger Jahre; die Zahl der mehr oder weniger versierten TV-Kömodianten nimmt nach wie vor exponentiell zu, der Anstaltsmarkt fragt offenbar noch nach, die Zahl der Adepten besagter Juxwogen nimmt dagegen rapide ab. Selbst das deutsche Blödel-Flaggschiff "7 Tage – 7 Köpfe" von Quoten-Krösus RTL ist ins Schlingern geraten. Das große Lachen scheint dem großen Gähnen gewichen: "Der Patient ist tot. Er weiß es bloß noch nicht", so eine Kölner Insiderin der Branche mit Verweis auf das Beispiel der SAT1-"Wochenshow". "Gags, die kaum gesendet wurden, werden zu ‚Classics‘ zusammengepappt, von April 2000 an gibt es eine tägliche Werbesendung der Truppe für den Großversender Neckermann. Da wird noch schnell rausgeholt, was rauszuholen ist. Dann ist Feierabend. Comedy ist ein Ex-und-Hopp-Geschäft für die Sender geworden."

Die "Wochenshow" des Berliner "Privat"-Sender SAT1 übernahm die Spaß-Quoten-Krone, als der Kölner "Privat"-Sender RTL seine Comedy-Eisbrecherin "RTL Samstag Nacht" einstellen ließ. Nach anfänglichem Riesenerfolg begann der Ruhm schnell zu bröcken; wählten im Januar 2000 noch 2,5 Millionen Lachfreunde Leo Kirchs Lachmenü, so sank deren Zahl bis dato auf magere 1,5 Millionen – mit sinkender Tendenz. Anke Engelke, der nicht untalentierte Star des Ensembles, erkannte die Zeichen der Zeit und ließ sich mit "Anke" eine Soloschau einrichten. Die "werberelevante Gruppe" der 14- bis 49jährigen ist massiv dabei, die Einschaltquote am Gesamtmarkt aber fiel unter zehn Prozent. Auch die Konkurrenz punktet nur mühsam; die Vulgärschau "Alles Atze" (RTL) möchte offenbar in den Witz der sozialen Hefe des Volkes einführen ("Käsestulle, Vögelbulle"), womit die Kölner um die zwei Millionen Brüllwillige erreichen.

In der Aachener Straße der Domstadt scheint mit dem austriakischen TV-Autodidakt Thoma ("Prof. Dr.") auch der Pioniergeist das Weite gesucht zu haben. Was ist passiert? "7 Tage – 7 Köpfe", dieser genialischen Parodie von Werner Höfers ARD-Frühschoppen, kommen die Massen abhanden. Sind die Witze nicht mehr stammtischgerecht? Ist womöglich von Bertelsmanns Wössner zuviel politische Korrektheit hineingeschrieben worden? Hat Wahlteutone Carrell sich ausgeblödelt? Selbst der Spaß mit Jochen, Mike, Rudi, Kalle, Gabi, Berniebärchen und Piet geht quotenmäßig in den Keller. Zwar hält sich der Marktanteil bei zwanzig Prozent, die absolute Zahl aber droht unter die magischen vier Millionen zu sacken. Quoten-Queen des Lachsektors aber bleibt die einzige Spätschöppnerin weiblichen Geschlechts, Gabi Köster (Eigenwerbung "die dümmste Praline der Welt"), deren Solo-Projekt "Ritas Welt" uns das soziale Subsegment der Supermarktkassiererin zum Ablachen vorwirft; verständlicherweise und verdientermaßen führt Gabis Einkaufswagen-Soap die bundesdeutschen TV-Jux-Charts mit großem Abstand an.

Die spaßwillige Nation aber wird von einer Frage besonders tief bewegt: Wie übersteht Stefan Raab die Comedy-Krise? Noch gilt der Tausendsassa aus dem Bad Godesberger Jesuiten-Gymnasium als konstante Spaß-Größe. En passant: Hans Dieter Hüsch, Harald Schmidt, Gerhard Polt e tutti quanti belegen, daß die Herkunft aus römisch-katholischen Nährböden Komödianten-Karrieren förderlich zu sein scheint. Der Münchner "Privat"-Sender Pro Sieben verdankt dem Multitalent mit Fleischergesellenprüfung mit "TV total" den größten Quotenerfolg seiner kurzen Geschichte. Hauptvorteil Raabs: seine Riesenakzeptanz beim jungen Bevölkerungsteil. Von seinen fast vier Millionen Stammgästen gehören schier unglaubliche drei der extrem konsumgeilen Bewegung der Bisneunundvierziger an.

Vom Raab-Sog profitiert auch der einheimische Sang; spätestens seit dem irrlichternden Grand-Prix-Beitrag "Wadde hadde Du denn da?" ist deutsches Liedgut ("Schlager") international salonfähig. Mit seinem Adjunkt Guildo Horn ("Ich mag Steffi Graf") griff Raabi, wie ihn VerehrerInnen nennen, raumgreifend ins Geschehen ein, seither genießt die einheimische Schnulze wieder Kultstatus. Wohlmeinende wie der vormalige RTL-Abt Thoma warnen indes: Stefan kann dereinst TV-Godfather Gottschalk beerben, wofern er sich nicht zuvor verheizen läßt. Negativbeispiele kennt die Medienwelt, dieses Haifischbecken, zuhauf. Raab, der Kommunikator, muß sich allgemach weitere Genres erschließen, muß sein Rollenset komplettieren. Einer wie Thoma kennt sich aus. Laß es Dir gesagt sein, Stefan!


 
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