© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
"Der Kopf sagt ja"
NRW: Grünen besiegeln Koalition mit der SPD
Alexander Schmidt

Der Landesparteitag der NRW-Grünen hat keine Überraschung offenbart. 155 der 269 Delegierten stimmten in Bonn für die Weiterführung der Koalition mit der SPD, 110 waren gegen den Antrag. Sechs Delegierte enthielten sich. Geführt werden die Grünen künftig von einer Doppelspitze. Die Realpolitikerin Britta Hasselmann ist Sozialarbeiterin und Fraktionssprecherin der Grünen im Bielefelder Stadtrat. Der promovierte Sozialwissenschaftler und Parteilinksaußen Fritjof Schmidt arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro des Grünen-Geschäftsführers Ludger Vollmer und gehört seit diesem Jahr dem Vorstand der Europäischen Föderation Grüner Parteien an. Mit dieser Kombination sollen beide Flügel der Partei gleichermaßen repräsentiert werden.

Gegner der Koalition, darunter auch die Parteivorsitzende Barbara Steffens, hatten auf dem Parteitag gewarnt, daß die Grünen bei einem zu großen Profilverlust Gefahr laufen, bei der nächsten Bundestagswahl als außerparlamentarische Opposition zu enden. So würde sich zumindest der Kreis hin zu dem Geburtstag der Graswurzelpartei voller Ironie schließen.

Weiter entzündet sich bei der Basis Streit über die vereinbarte Verkehrspolitik, weil Bärbel Höhn auf Druck der SPD die Zuständigkeit für die Raumplanung verliert. Damit hatte sie in den vergangenen fünf Jahren Einfluß auf Großprojekte wie den Braunkohletagebau Garzweiler II. Aber auch dort sieht Frau Höhn ihre Position gesichert, weil die Staatskanzlei sich bei ihren Planungen auch künftig mit der Umweltministerin abstimmen müsse.

Nichtsdestotrotz haben auch die Gegner ihre Unterstützung für die Neuauflage der Koalition zugesichert. Auch sie wissen, daß die Koalition nur über drei Stimmen Mehrheit im Landtag verfügt und so auf jede Stimme, beginnend bei der Wahl Clements zum Ministerpräsidenten, angewiesen ist.

Befürworter sprechen von einem Koalitionsvertrag, der eine eindeutig grüne Handschrift trage. "Wir haben jetzt mehr Kompetenzen als zuvor, und wir werden sie nutzen", sagte Bärbel Höhn in ihrer Rede, wenngleich die Leidenschaft, mit der über den Vertrag diskutiert wurde, ebenso klein ist wie die Freude über die SPD an der Seite der Grünen. Man habe ein Aktionsprogramm zum Lärmschutz aufgelegt und mehr Geld für Altlastensanierung sowie das Verbot gentechnisch veränderter Lebensmittel festgeschrieben. Kein Wort fiel in Bonn allerdings über den Atomkonsens, der am kommenden Wochenende auf dem Bundesparteitag der Grünen in Hamburg zu erwarten ist.

Bärbel Höhn bekundete freimütig, daß ihr Ja-Wort zu Clement vom Kopf her komme. Der Bauch sage ihr etwas anderes. Deutliche Worte.


 
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