© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
CD: Pop
Geheimer Held
Holger Stürenburg

Der inzwischen über 50jährige irische Gitarrist, Komponist und Texter Paul Brady ist einer jener "geheimen Helden" (Bob Dylan über Brady), der fast durchgehend in der zweiten Liga gespielt hat und, zumindest in Deutschland, niemals den Sprung in die erlauchte Gruppe der Superstars schaffte. Bradys Karriere begann Anfang der achtziger Jahre, als sich meist ebenfalls von der grünen Insel stammende Kollegen wie Chris Rea oder Chris de Burgh anschickten, eine perfekte Mischung aus Folk, Rock und traditionellem Songwriting mit massentauglichem Popappeal zu verbinden und damit nahezu bis heute für volle Hallen und größere Hits eine gute Figur abzugeben.

Besonders Bradys schweißtreibender Auftritt 1985 im legendären "Rockpalast" sowie seine zeitgleich veröffentlichte LP "True for you" waren eigentlich wie geschaffen dafür, ihn im Windschatten Reas und de Burghs zu etablieren. Aber dies gelang nicht, Bradys bestes Stück war das schnelle, rockige "Steel Claw". Dies wurde aber nicht in seiner eigenen Fassung am erfolgreichsten, sondern in den Rockversionen von Dave Edmunds und – noch weitaus mehr – von Soulröhre Tina Turner.

Seit 1995 ist von Paul Brady – mit Ausnahme des durchaus erfolgreichen "Best of"-Samplers "Nobody knows" – keine neue Studioaufnahme mehr erschienen. Bis der introvertierte Liederschreiber nun bei Ryko/Zomba einen neuen Plattenvertrag erhielt und dort kürzlich ein neues Album veröffentlichte: "Oh what a World" ist ein abgeklärtes, fröhliches und aufbauendes, emotionales und sehr reifes Werk geworden, dessen Songs nahezu alle einen speziellen Charme besitzen. Das Cover des Albums ziert tiefblaues Meer vor strahlend blauem Himmel, versehen mit ein paar kleinen Wölkchen – und genau diese Spätsommerstimmung breitet sich beim Hörer aus, wenn er "Oh what a World" an einem sommerlichen Spätnachmittag in den CD-Spieler legt. Die "Sea of Love" wird von Brady in schönen Worten beschrieben, er glaubt an die Magie der Liebe in "I believe in Magic", beschreibt rockend das Gesetz der Liebe ("Law of Love") und besingt auf Folkbasis die wahre, schöne Beziehung ("Good Love").

Prominente Kollegen haben Brady diesmal vor allem bei den Texten unter die Arme gegriffen: So schrieb er "Believe in me" zusammen mit US-Liedermacherlady Carole King; den lieblich swingenden und zusätzlich eine enorme Hoffnung auf bessere Zeiten ausstrahlenden Titelsong textete Will Jennings, der einst für die Lyrik der besten Hits von Steve Winwood verantwortlich war ("Valerie", "Back in the High Life"), während die erste (ausschließlich in Großbritannien veröffentlichte) Single ein besonderes Schmankerl darstellt, das Brady durchaus der Zahnspangengeneration näherbringen könnte. Hier hat er gemeinsam mit dem Frontmann von Boyzone, Roman Keating, getextet und komponiert, so daß "The Long Goodbye" tatsächlich klingt wie eine Boyzone-Ballade – aber erst Bradys brüchige und abgeklärte Stimme macht aus einem Popsong einen Popklassiker.

Die Zusammenarbeit von Keating und Brady kann zwar als genialer Coup gewertet werden. Ansonsten ist "Oh what a World" aber viel zu ruhig und viel zu nachdenklich, um sich in den deutschen Hitlisten zwischen dumpfem Pop, Dancefloor und Hip Hop zu plazieren. Ältere Rezipienten werden gemeinsam mit Bob Dylan den "Secret Hero" und seinen neuesten musikalischen Auswurf sicherlich in ihre Herzen schließen, selbst wenn diese CD einem größeren Publikum verschlossen bleibt. Vielleicht nimmt sich ja Tina Turner mal wieder eines seiner Lieder an. Eine Verbindung von Tinas Weltruhm und Bradys Rocker "Travellin’ Light" könnte für Tina ein Hit werden und für Paul die Kassen klingeln lassen – auch wenn sein Name in diesem Fall ebenfalls nur im Hintergrund bliebe.


 
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