© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
Schurken, Dandys, Helden
Ausstellung: Curd Jürgens im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt/Main
Werner Olles

Schon beim Betreten der Ausstellung werden Erinnerungen wach an die versunkene Kinowelt der fünfziger und sechziger Jahre, an Kinopaläste in den Innenstädten und schäbige Vorortkinos, als Kinos noch "Universum", "Gloria" oder "Filmpalast" hießen. Denn die Ausstellung erzählt auch von der Magie der bewegten Bilder, als das Kino noch der Ort war, von dem aus man zu Expeditionen ins Unbekannte aufbrach. Vieles aber ist frisch und bewegend und läßt einen hoffen, daß das Kino immer noch Zukunft hat. Wie oft vergißt man bei all dieser Nostalgie, daß damals die Erfüllung der geltenden ästhetischen Normen zum Teil an ihrer mangelnden Finanzierbarkeit scheiterte, wenn zum Beispiel die Bundesautobahn im Studio nachgebaut wurde, der Regisseur sich mit der knappen Zeit von drei Drehtagen begnügen mußte, und dann aber gerade aus dem Basteln der technischen Tricks unversehens das ästhetisch Neue entsprang.

Nach Marlene Dietrich und Romy Schneider ehrt das Deutsche Filmmuseum mit seiner Curd Jürgens-Ausstellung einen der wenigen international erfolgreichen deutschen Leinwandstars. Am 13. Dezember 1915 im Münchner Stadtteil Solln geboren und in Berlin aufgewachsen, spielte Jürgens schon im Alter von zwanzig Jahren an Wiener Bühnen und bald auch am Burgtheater. Fast gleichzeitig begann auch seine Filmkarriere. Er debütierte 1935 in "Königswalzer" an der Seite seines Entdeckers Willi Forst, aber trotz seiner folgenden zahlreichen Filmrollen ließ ihn die Bühne nie ganz los. Bereits kurz nach Kriegsende gründete er sein eigenes Theater, später beeindruckte er die Zuschauer in seiner Glanzrolle als "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen. In den sechziger Jahren stand er auch im Frankfurter Fritz-Rémond-Theater auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Gleichwohl wird er wohl für die meisten als Kinostar unvergeßlich bleiben. Wer würde sich nicht an seinen General Harras in Helmut Käutners Zuckmayer-Verfilmung "Des Teufels General" (1954) erinnern? Jürgens deutete die Situation des Offiziers, der sich aus beruflichen Gründen dem Nationalsozialismus zur Verfügung gestellt hat und schließlich zum Opfer des Regimes wird, überaus glaubwürdig. Oder an den Bruno Michelke in Robert Siodmaks Meisterwerk "Die Ratten" (1955), an seine Titelrolle als "Schinderhannes" (1958) an der Seite von Maria Schell, an den morphiumsüchtigen Arzt in "Ohne dich wird es Nacht", bei dessen Dreharbeiten er seine dritte Frau, die ungarische Schauspielerin Eva Bartok, kennenlernte, an den von seiner hysterischen Ehefrau Lilli Palmer gedemütigten Komponisten in "Teufel in Seide", bis hin zum schurkischen James-Bond-Gegenspieler Carl Stromberg in Lewis Gilberts "Der Spion, der mich liebte" (1977).

Curd Jürgens war ein Vollblutschauspieler, und seine Schurken, Rittmeister, Dandys und Frauenhelden gaben allesamt prächtige Figuren ab. Nebenbei war er auch ein PR-Profi, der den Medien gern Stoff lieferte, was er einmal folgendermaßen kommentierte: "Egal was die Presse über mich schreibt, Hauptsache sie schreiben meinen Namen richtig!" Blond, hochgewachsen, mit stahlblauen Augen, markanten Gesichtszügen und breiten Schultern avancierte der "normannische Kleiderschrank" (Brigitte Bardot) zum Lieblingsstar einer ganzen Generation, der schon zu seinen Lebzeiten eine Legende wurde. Er führte ein turbulentes Leben mit zahllosen Affären, und dieses Image bestimmt notwendig auch einen Teil der Ausstellung. Sie dokumentiert aber auch, daß die Nachkriegszeit der Bundesrepublik nicht nur ihre Geburtsära war, sondern bis heute ein Teil ihres Wesens geblieben ist. Es finden sich Bilder, Wirklichkeitssignaturen, deren kulturelle Authentizität immer noch den Atem stocken läßt. Daneben erfährt der Besucher aber auch, daß Jürgens die vierzehn Häuser, die er im Laufe seines Lebens besaß, zum Teil selbst entworfen hat, daß er nach seinem Tod – er starb 1982 im Alter von 66 Jahren in Wien an Herzversagen – seinen gesamten filmischen Nachlaß im riesigen Swimming Pool des französischen Anwesens verbrennen lassen wollte. Seine Witwe, Margie Jürgens, folgte ihm darin jedoch nicht, sondern übergab das ganze Material zur wissenschaftlichen Aufarbeitung dem Deutschen Filmmuseum in Frankfurt.

Hier wurde in dreijähriger Kleinarbeit der Nachlaß erschlossen und in drei Bereiche gegliedert: persönliche Erinnerungsstücke wie seine erste Regiearbeit, Schwerpunkt Theaterarbeit, deutsche und internationale Filme. So gibt es neben einer Menge interessanter Fotos und Dokumenten aus dem privaten und beruflichen Leben von Curd Jürgens wie Briefen an seine Mutter und seine Schwester, Aufnahmen von Filmarbeiten, Kinoplakaten und Standfotos auch einige Originalkostüme zu sehen: Seine Uniform aus "Katja, die ungekrönte Kaiserin" (1959) von Robert Siodmak mit Romy Schneider in der Titelrolle oder den Originalmantel aus seinem Film "Des Teufels General". Zeitungsartikel und Titelseiten aus Illustrierten bewundert man im Foyer, auf einem Monitor sind seine Fernsehauftritte in Talkshows oder zum Beispiel bei "Klimbim" zu sehen, und natürlich kann man auch in seinem autobiographischen Roman "Und kein bißchen weise" blättern. Während der Dauer der Ausstellung zeigt das Filmmuseum in einer Retrospektive dreißig seiner bekanntesten Filme. Ein umfangreicher Katalog, in dem neben wissenschaftlichen Artikeln auch Kollegen wie Hansjörg Felmy, Susi Nicoletti, Senta Berger, seine zweite Frau Judith Holzmeister und seine langjährige Mitarbeiterin Renate Freifrau von Hadeln zu Wort kommen, ergänzt die Ausstellung.

 

Die Ausstellung ist bis zum 10. September im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt am Main, zu sehen. Der Eintritt kostet 8 Mark, der Katalog 39 Mark.


 
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