© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/00 30. Juni 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Der Brandstifter wird Feuerwehrhauptmann
Carl Gustaf Ströhm

Mile Djukanovic, der vom Westen gehätschelte Präsident des 650.000-Einwohner-Staats Montenegro hat sich – wohl auf US-Druck – endlich bei den Kroaten entschuldigt. Erstmals sprach er sein Bedauern für die Aggression aus, die Teile seines Volkes 1991 gegen Kroatien unternahmen – was zur Beschießung Dubrovniks und zur Plünderung Süddalmatiens auch durch montenegrinische Soldateska führte.

Allerdings ganz unverbindlich: Keine Rede von Wiedergutmachung für die Raubzüge montenegrinischer "Helden", die aus den eroberten kroatischen Häusern von Fernsehgeräten bis zum Klodeckel alles nach Montenegro schleppten, um es dort auf den Märkten billig zu verhökern.

Heute ist Monenegro ein hoffnungsvoller Aspirant der "westlichen Wertegemeinschaft" und Djukanovic ein gern gesehener Gesprächspartner. Der Westen sieht in ihm einen jungen Feuerwehrhauptmann, der helfen könnte, den immer noch nicht konrollierbaren Schwelbrand auf dem Balkan zu löschen. Daß dieser bis vor einigen Jahren einer der Brandstifter war, daß er seine Karriere als Gehilfe von Slobodan Milosevic begann, daß unter seiner (Mit-)Führung Montenegro zu einem Zentrum des Zigaretten-, Menschen- und Waffenschmuggels wurde – das interessiert den Westen nicht, solange Djukanovic als Gegengewicht gegen seinen Mentor Milosevic funktioniert.

Seit sich Djukanovic bei den Wahlen 1997/98 mit Milosevic überwarf – es heißt, daß Streitigkeiten um Macht und ziemlich viel Geld auslösende Momente waren – hat sich der "westlich orientierte" Djukanovic eine gewisse westliche Finanzhilfe gesichert. Zum Ärger Belgrads führte er die D-Mark als offizielles Zahlungsmittel ein und drohte sogar mit dem Austritt aus der "Bundesrepublik Jugoslawien".

Montenegro, das "Land der schwarzen Berge" war von jeher geteilt zwischen den "Grünen" (die nichts mit den deutschen Grünen zu tun haben) und den "Weißen". Die ersteren waren und sind für weitgehende staatliche Unabhängigkeit, die letzteren sind groß-serbisch/jugoslawisch orientiert. Bei den jüngsten Gemeindewahlen in der Hauptstadt Podgorica (früher Titograd) und der Küstenstadt Hercegnovi (Castelnuovo) gab es ein Patt: Djukanovic- und Milosevic-Freunde halten einander die Waage.

Schon spricht man von einem möglichen Bürgerkrieg – wie es ihn zuletzt im Zweiten Weltkrieg zwischen jugoslawisch orientierten Montenegrinischen Kommunisten und mit Italien bzw. Deutschland verbündeten "Grünen" gab. Der Generalstabchef der jugoslawischen Armee, die die Teilrepublik besetzt hält, drohte, "entschlossen und mit allen Mitteln" auf Separationsversuche zu antworten. Der in Belgrad als Verräter verhaßte Djukanovic hat seinerseits eine kasernierte paramilitärische Sonderpolizeitruppe von 20.000 Mann (drei Prozent der Bevölkerung!) aufgestellt, die bereit ist, einem etwaigen Angriff der im Lande stationierten Jugo-Armee paroli zu bieten. Der Westen, mit dessen Unterstützung Djukanovic steht oder fällt, ist sich wieder einmal unschlüssig: Er unterstützt den Montenegriner gegen Belgrad, ist aber gegen die montenegrinische Unabhängigkeit.

Ob Milosevic den Amerikanern den Gefallen tun wird, seinen verstoßenen Ziehsohn frontal anzugreifen, ist fraglich. Das dürfte im Moment auch nicht im russischen Interesse liegen. Der Fall Montenegro und Djukanovic zeigen, auf welch wackeligen und opportunistischen Beinen die westliche Balkanpolitik immer noch steht.


 
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