© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Wahre Liebe
Karl Heinzen

Ehe und Familie sind unvereinbar. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Übergang in die Elternschaft", die im Auftrag der Landesbausparkasse Bayern unter Federführung von Wassilios Fethenakis vom Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik erstellt wurde. Wer partout zu jener Minderheit gehören möchte, die immer noch Kinder austrägt und aufzieht, erlebt demnach zumeist sein Fiasko. Kaum daß drei oder vier Jahre nach der Familiengründung vergangen sind, ist die Ehe auch schon geschieden. Für einen Baufinanzierer stellt sich da die Frage, ob er jungen Familien tatsächlich guten Gewissens zu einem Eigenheim, das auf ihre Träume zugeschnitten ist, raten darf oder ob er nicht von vornherein einen Realismus anmahnen sollte, der sich am späteren Bedarf der alleinerziehenden Mutter mit ihren Kindern orientiert.

Aber auch wer sich nicht scheiden läßt, hat wenig zu lachen. Die Geburt eines Kindes wird von den Betroffenen oft als der Anfang vom Ende ihrer Partnerschaft empfunden. Zärtlichkeit und Sexualität nehmen stärker ab, als es durch Alter und Gewöhnung alleine notwendig wäre. Es sinkt die Bereitschaft, sich im gemeinsamen Gespräch über Alltagserfahrungen auszutauschen. Um so mehr wird über das Kind geredet, das in seinem noch unreflektierten Egoismus keine Rücksichtnahme auf die seelischen oder gar intellektuellen Belange der Eltern kennt. Diese fallen zudem auf überholte Geschlechterrollen zurück. Die Mutter reduziert ihre Berufstätigkeit oder scheidet ganz aus dem Erwerbsleben aus. Der Mann hingegen darf die dadurch eintretende Unterfinanzierung als Ausrede dafür mißbrauchen, sich ganz in sein berufliches Engagement zurückzuziehen. Zusammengehalten wird eine solche Ehe dann weniger durch die Kinder, sondern in erster Linie durch den sozialen Außendruck. Wer eine Familie gründet, wird von vielen Freunden und Bekannten gewarnt. Manche ziehen sich auch von einem zurück, weil durch die nachwuchsbedingte Einschränkung gemeinsamer Freizeitaktivitäten die Grundlage für die Freundschaft entfallen ist. Solchen Menschen gegenüber möchte man natürlich keine Blöße zeigen, wie recht sie auch gehabt haben mögen.

Wer den Schritt von der Ehe zur Familie als den Normalfall angesehen wissen möchte, verkennt nicht bloß die soziale Realität, sondern versündigt sich an dem Eigenwert der Partnerschaft zweier Menschen, die sich selbst für einen bestimmten Zeitraum genug sind. Es ist schon begrüßenswert, wenn Menschen ihr eigenes Glück zu zweit suchen. Man darf sie dann nicht mit noch mehr Altruismus überfordern. Die Idee der Ehe ist verfälscht, wenn sie mehr als zwei Menschen aufeinander bezieht. Dies wieder ins Gedächtnis gerufen zu haben, ist das hauptsächliche Verdienst jener Kampagne, die auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften endlich jene An-erkennung bringen wird, die ihnen aus bevölkerungspolitischen Gründen längst nicht mehr verwehrt werden kann


 
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