© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Sprachakrobat
Thomas Kapielski: Verborgenes Multi-Talent
von Werner Olles

Über lange Zeit war der an der Braunschweiger Kunst-Akademie als Professor lehrende Thomas Kapielski nur einem kleinen Kreis von treuen Literatur-Connaisseuren bekannt, die ihn als Repräsentanten der kleinen Berliner Künstler-Boheme feierten. Das dürfte sich jedoch bald ändern, denn seine enorme Erzähl- und Fabulierlust, sein Spaß an philosophischem Quatsch und scharfsinnigen Verdrehtheiten, verdienen es durchaus, ein breiteres Publikum mit dem speziellen Kapielskischen Humor zu konfrontieren. Dieser kommt dann auch nicht ohne derbe Zoten, Kalauer und ressentimentgeladene Zornesausbrüche gegen Handynerver oder Bewältigungs-Journalisten daher. Ein kleines Beispiel: "Bumm, bumm! Dann kamen wieder unerhörte Hammerschläge wider den Faschismus. Es stand ja noch weit und breit kein Skin im Land, 82, aber man merkte schon, die Erregung, man brauchte unbedingt welche. Sie mußten gemacht werden. Man war schon zu der Zeit mit Detektoren unterwegs und feilte an schalen Empörungsriten, die aber durchaus brisant werden konnten, als erfrischte Zensur und als durchaus bisweilen rabiate Sprachpolizei. Die depressiven Kräfte des guten Willens und der Linksliberalität arbeiteten sich vor in die Abgründe des Bösen. Verbrämt als Abwehre dagegen. Der historische Treppenwitz war unterdessen, daß unter den frei erzogenen Nachkommen ein ethikleeres Fleisch aufwuchs, das unbekümmert totschlug und die zugewiesene Stelle einnahm."

Kapielski stellt lustvoll Versprecher, Worthülsen und Phrasendreschereien an den Pranger, saugt aus Banalitäten den Stoff für sprachliche Schmunzeleien und schwelgt in Einzelheiten und verzwickt-akrobatischen Sprachturnereien. Die daraus resultierenden Situationen der Komik legen unsere unmerklich tiefkorrumpierte Alltagssprache mitsamt den sie steuernden Wahrnehmungsmustern gnadenlos bloß. Doch je weiter man mit der Lektüre fortfährt, desto mehr wächst das Erstaunen über die Grandezza, mit der dieser merkwürdige Kult-Autor, Fotograf, Musiker, Performer und Brüll-Therapeut auch noch das banalste Kneipengewäsch in Sprachspiel und Wortwitz umsetzt, ohne dabei an Spontaneität und gänzlich unauffälliger Lebendigkeit zu verlieren. Eine letzte Kostprobe: "Wenn Sport der Bruder der Arbeit ist, dann ist die Kunst die Cousine der Arbeitslosigkeit". Genau!

 

Thomas Kapielski: Aqua botulus. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2000. 184 Seiten, 17 Mark; ders.: Der Einzige und sein Offenbarungseid. Verlust der Mittel. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2000. 189 Seiten, 17 Mark


 
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