© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Gruselrock: Alice Cooper reist durch Deutschland
Horror mit Augenzwinkern
Holger Stürenburg

Grollende Gitarrenklänge, Peitschenladys, blutbespritzte Kinderwagen und die legendäre Guillotine – Alice Cooper ist in der Stadt! Drei Jahre nach seiner letzten, weniger show- denn rockbetonten Tournee läßt sich der inzwischen über 50jährige Gruselrocker zum ersten Mal wieder in Deutschland blicken und führt seinem Publikum in bewährter Manier die Schattenseiten und Alpträume westlichen Denkens, amerikanischer Kultur vor.

Coopers Musik ist eine Mischung aus traditionellem Hardrock der siebziger Jahre auf Rock’n’Roll- und Rhythm’n’ Blues-Basis, verbunden mit schnellen Gitarren und zackigen Riffs, und ließ bereits vor 30 Jahren Hitlisten und Feuilletons erzittern. Wie kaum ein anderer Rockmusiker seit Frank Zappa polarisiert Cooper seine Mitmenschen, so daß im Laufe der Jahre auch viele Tugendwächter und Besserwisser auftauchten, die in seiner parodistischen Horrorshow Gewaltverherrlichung und Jugendgefährdung erkennen wollten. So ließ zum Beispiel im Frühjahr 1990 der damalige Münchner Kreisverwaltungsreferent Peter Gauweiler (CSU) einen Auftritt Coopers behördlich untersagen – steigerte mit dieser Entscheidung jedoch nur Kultstatus und Marktwert des Rockidols.

Im Jahr 2000 ist davon keine Rede mehr, so daß der "Circus-Krone"-Bau in München bebte, als Cooper in der Rolle eines grausam wirkenden "Hexenmeisters" um halb zehn in schwarzem Leder bekleidet und zu härtesten Rockklängen die als Schrottplatz ausstaffierte Bühne betritt.

Die erste Hälfte des insgesamt fast zweistündigen Konzertes besteht hauptsächlich aus den Songs des neuen, bei CMM/Hannover erschienenen Albums "Brutal Planet": Dröhnende Rockhymnen, die von Alice Cooper zu kleinen, blutrünstigen Horroropern inszeniert werden – aber immer mit jenem gewissen Augenzwinkern verbunden, das übereifrige Tugendwächter so gern übersehen.

Der inzwischen zum christlichen Glauben konvertierte Musiker führt seit nahezu 30 Jahren dem Zuhörer alptraumhafte Visionen des alltäglichen Lebens vor – Obsessionen, Ängste, Gewalt und Horror werden von ihm sarkastisch besungen, mit theatralischen Übertreibungen auf die Bühne transferiert. Auf eine Bühne, die oft durchaus mehr an der Realität orientiert wirkt, als dies vielleicht sogar vom Künstler beabsichtigt ist.

Nach der inzwischen berühmt gewordenen Guillotine-Szene – Cooper wird auf der Bühne geköpft – darf die fünfköpfige Band bei solistischen Ausflügen zeigen, was sie kann: Der Schlagzeuger bearbeitet das Drumset mit brennenden Fackeln, bevor Cooper – nun in weißem Anzug – mit "No more Mr. Nice Guy" den "Greatest Hits"-Part der Show einläutet. Die theatralischen Elemente treten nun in den Hintergrund, dafür öffnet er auf reiner Rockbasis seine große Hit-Wundertüte: "Poison", der Top Ten-Hit aus dem Jahre 1989, gefolgt von der schaurig-schönen Ballade "Only Women bleed", läßt erahnen, daß bald der absolute Höhepunkt kommen sollte: Der Rock’n’Roller "Under my Wheels" – nahezu alle Anwesenden streckten die Hände in die Höhe und sangen lauthals mit – und danach "School’s out" – die ultimative Hymne gegen Schulstreß und Leistungsdruck, die derzeit, wo in vielen Bundesländern gerade die letzten Abiturprüfungen stattfinden, eine besondere Aktualität besitzt.

Und zum Schluß hat er sogar einmal gelächelt. Das kommt bei ihm selten genug vor. Aber in Anbetracht von fast 3.000 jubilierenden Fans vergeht selbst einem ewigen Miesepeter wie ihm der böse Blick auf seinen Lippen!

Wer sich auch gerne einmal die Abgründe des menschlichen Lebens gekonnt vorexerzieren lassen möchte, hat auf der derzeit laufenden "Brutal Planet"-Tour von Alice Cooper die Gelegenheit dazu. Auch in Ihrer Stadt könnten bald peitschenschwingende Ledermiezen und aufgegeilte Krankenschwestern über die Bühnen städtischer Konzerthallen jagen und gemeinsam mit ihrem "Mentor" Alice Cooper zeigen, daß die Welt auf der Bühne zwar sehr grausam sein kann, aber bei weitem nicht so paradox ist wie die Realität.

 

Konzerttermine: 8. Juli Plauen, 9. Juli Nordenham, 22. Juli Schweinfurt, 25. Juli Saarburg, 26. Juli Schwenningen, 27. Juli Esslingen


 
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