© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Der Kaiser und der Fußball
Claus-M. Wolfschlag

Hauchdünn war der Vorsprung von nur einer Stimme, mit dem sich Deutschland die Aus richtung der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2006 gesichert hatte. In der entscheidenden Abstimmung setzte sich der Deutsche Fußballbund (DFB) mit 12:11 Stimmen bei einer Enthaltung im dritten Wahlgang gegen das bis dahin als Favorit gehandelte Südafrika durch.

Am 10. Juni 2006 wird die WM also in München angepfiffen werden. Das Endspiel dürfte voraussichtlich am 9. Juli in der Hauptstadt Berlin stattfinden. Insgesamt 16 deutsche Städte haben sich als Austragungsorte für Spiele beworben, von denen zehn bis zwölf zum Zuge kommen werden. Und, selbst wenn das deutsche Fußballdilemma anhalten sollte: Die deutsche Nationalelf ist als Ausrichter automatisch qualifiziert.

WM-Bewerbungs-Chef Franz Beckenbauer kann die erstklassige Bewerbung Deutschlands auch als einen weiteren seiner persönlichen Erfolge verbuchen. Fast eine halbe Million Flugmeilen hatte er zurücklegen müssen, Dutzende von Staatschefs getroffen und jedes Heimatland der 24 über die WM-Vergabe entscheidenden Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees mindestens einmal besucht. Der "Kaiser" erntete Lob aus Sport und Politik.

Auch die Bevölkerung sieht mit Freude dem Großereignis vor der eigenen Haustür entgegen. Das zeigen erste Straßenbefragungen. Doch zuviel Freude in Deutschland hat nach Ansicht einiger oberster Moralapostel der Republik bekanntlicherweise noch nie zu Gutem geführt. Voraussehbar war deshalb auch der Tenor der "Tagesthemen"-Sendung vom 6. Juli nach der Entscheidung von Zürich. Moderator Ulrich Wickert und sein Kommentator Klaus Bednarz hatten sich vorgenommen, den Deutschen wieder einmal ein wenig den Spaß zu verderben. Dauer-Griesgram Bednarz verstand es, seine Argumentation bis in ungeahnte Höhen politisch aufzuladen: Der Zuschlag für Südafrika wäre ein Zeichen gegen die scheinbar noch immer nicht ausreichend überwundene Rassendiskriminierung gewesen. Nun ist die Entscheidung aber nunmal leider gefallen, das eigene Land mehrheitlich nicht gewillt, die Kandidatur schamerfüllt zurückzuziehen. Aus diesem Grund –so Bednarz‘ Logik – sei verstärktes Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland, vor allem den neuen Bundesländern, nötig. Nur durch verstärkte politische Maßnahmen gegen "Rechtsextremismus" würde sich Deutschland demnach also als würdiger Gastgeber zeigen können, eine internationale Sportveranstaltung durchzuführen.

Auf diese Weise sei wohl ein wenig Abbitte möglich, für den unmoralischen Sieg in Zürich, mag sich Bednarz gedacht haben. Merkwürdig allerdings, daß immer diejenigen von der Würde sprechen, die solche am wenigsten vertreten. Wollten Wickert, Bednarz und Co. nach diesen Auftritten etwas Würde zeigen, sollten sie für die Dauer der Fußball-WM nach Südafrika auswandern und dort Sozialarbeit leisten. Fußball-Deutschland wäre sicher nicht unglücklich über 4 Wochen "Tagesthemen"-Pause.


 
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