© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Bewußte Täuschung der Öffentlichkeit
Gewalt zwischen Ausländern und Deutschen: Schlagzeile für verletzten Türken, Randnotiz für deutsches Opfer
Volker Kempf

Wo Deutsche und Ausländer zusammenleben, kommt es zu Gewalt nicht nur unter Deutschen und unter Ausländern, sondern auch zwischen Ausländern und Deutschen. So geschehen kürzlich in Langenfeld bei Düsseldorf.

Ausländische Jugendliche hatten einem jungen deutschen Bademeister vorsätzlich schwere Verletzungen zugefügt, als er sie ermahnte, die Baderegeln einzuhalten. Beinahe hätte man davon nichts mitbekommen, hätte die örtliche Presse nicht eine Randmeldung aus dem Vorfall gemacht. Ein junger Türke immerhin sei festgenommen worden, die anderen seien flüchtig, war zu erfahren. Wenig später, Anfang Juli, wurden in Düsseldorf-Derendorf von Skinheads zwei Ausländer, namentlich ein Afghane und ein Türke, angegriffen und verletzt. Die Zeitungen berichten darüber in großen Artikeln. Laut Polizei war der brutale Überfall von Skinheads auf zwei Ausländer im Derendorfer S-Bahnhof ein Einzelfall. Laut Pressebericht liest sich die Darstellung des Verfassungsschutzes NRW in deren Jahresbericht angeblich anders. "In Düsseldorf besteht seit einigen Jahren um die Betreiber des ’Nationalen Infotelefons’ eine Neonazi-Szene. Deren Führungspersönlichkeiten fehlen auf kaum einer Aktion oder einem überregionalen Treffen der Neonazi-Szene. Die sei bundesweit in freien Kameradschaften organisiert." Die Antifa versucht sich in der Öffentlichkeit mit dem Verfassungsbericht zu verbünden und mahnt an, daß die "Kameradschaft Düsseldorf" eine gefestigte Neonazigruppe sei. Daß die Antifa selbst im Verfassungsschutz wenig rühmlich auftaucht, bleibt unerwähnt. Die betreffenden Journalisten fordern faktisch, daß die Polizei der Lesart des Landesverfassungsschutzberichtes durch die Antifa folgen solle. Dabei fällen Polizei und Verfassungsschutz zwei Aussagen über unterschiedliche Dinge. Die Polizei behauptet nicht, daß es keine Neonaziszene gäbe, sondern nur, daß keine von derartigen Kreisen ausgehenden Gewalttaten bekannt sind, wie sie sich in Düsseldorf-Derendorf ereignet haben.

Gewissenhafte Recherchen werden offenkundig durch Herbeizitierung von parteiergreifenden Gruppierungen wie der Antifa ersetzt. Man stelle sich auch einmal vor, eine Gruppierung aus der rechtsradikalen Szene hätte Stellung zu dem Bademeistervorfall von Langenfeld bezogen; dies wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einfach gutgläubig aufgegriffen worden.

Die Schieflage in der Berichterstattung über Gewalttaten zwischen Ausländern und Deutschen korrespondiert soziologisch gesehen mit einem dominierenden öffentlichen Diskurs über Ausländerfeindlichkeit, der mit dem ausländerfreundlichen Dikurs der Multikulturalisten und der Tabuisierung nationaler Wir-Gefühle (auf seiten der Deutschen) einhergeht. Dagegen müssen die nach dem Zweiten Weltkrieg tabuisierte Identitätsressourcen "Volk" und "Nation" wieder erschlossen werden. Andernfalls wird es immer wieder junge Menschen geben, die orgienhaft die aufgestellten Tabus durchbrechen. Dann handelt es sich weniger wahrscheinlich um Gesinnungstäter als vielmehr um desorientierte Jugendliche, weiß auch der renommierte Sozialwissenschaftler Frank-Olaf Radtke in seinem Beitrag zur "Multikulturellen Gesellschaft" in dem 1997 erschienenen Band "Soziologische Gesellschaftsbegriffe" zu erklären.

Eine Bestandsaufnahme ethnisch bedingter Gewalt muß verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten Raum lassen. Eine erfahrungswissenschaftliche Untersuchung über die Gewalttaten zwischen Ausländern und Deutschen brächte Licht in das Dunkel aus Spekulationen und interessegeleiteten Diskussionen und Berichterstattungen.

Interessant wäre auch die Frage, wie die Rathausfraktionen abstimmen würden, wenn Mittel für eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme der Problemlage zur Genehmigung anstünde: Bekäme eine Untersuchung zur "Gewalt zwischen Deutschen und Ausländern" den Zuschlag oder eine "gegen Rassismus und Gewalt", bei der einseitig nur die Gewalttaten von Deutschen interessieren und herausgestellt werden?

Wahrscheinlich würde letzteres in den meisten Städten eine Mehrheit finden, denn der gute Deutsche braucht schließlich nichts weiter als böse Deutsche, um sich mit der Anstandskerze in der Hand gut zu fühlen. Ob dadurch Probleme auf den Weg der Besserung gelangen, erscheint fraglich.


 
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