© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Ausstatter der Macht
Zum 100. Geburtstag des Bildhauers Arno Breker
Hans-Jörg Koch

Wirkungsvoller als in der Musik, der Literatur, der Malerei oder dem Schauspiel sollte sich in der Monumentalarchitektur des Nationalsozialismus die Ewigkeit, Schönheit und Stabilität des Regimes widerspiegeln, und der Bildhauer sollte als Ausgestalter dieser klassizistischen Architektur zum Deuter des künftigen Menschen werden.

Einer der herausragenden Gestalter des nationalsozialistischen Idealtyps war Arno Breker. Seine Frauenakte und heroischen Männergestalten wurden zum Inbegriff des NS-Staates, und zwar auch über dessen kurze Dauer hinaus bis in unsere Gegenwart. Seine Standbilder mit so glorifizierenden und symbolträchtigen Bezeichnungen wie "Bereitschaft", "Berufung", "Künder", "Vergeltung", "Kampf", "Kameradschaft", "Die Partei" oder "Die Wehrmacht" standen an exponierter Stelle und fanden das uneingeschränkte Wohlwollen Hitlers, der den Bildhauer für seine gigantischen Bauvorhaben einspannen ließ.

Am 19. Juli 1900 in Elberfeld als Sohn eines Bildhauers geboren, brachte es Breker bereits vor 1933 zu künstlerischem Ansehen. Sein schöpferisches Können überzeugte, gerade auch in Frankreich, wo er vor dem Regierungsantritt Hitlers jahrelang bildhauerisch tätig war. In Paris, umgeben von einem intellektuellen Kreis französischer Künstler und Literaten, zu dem Charles Despiau, Jean Cocteau und Aristide Maillol gehörten, orientierte er sich vornehmlich am Werk Rodins.

Zunächst schenkten die Nationalsozialisten dem Bildhauer wenig Aufmerksamkeit, sie bevorzugten, wie auch in anderen Bereichen, "alte Kämpfer", bis sie sich eingestehen mußten, daß Kunst mit Können und nichts mit dem Parteibuch zu tun hat. So vollzog sich Brekers Aufstieg zum "Hofbildhauer" nicht kometenhaft, eher kontinuierlich, seine Hauptarbeiten für die Nationalsozialisten fanden fast ausschließlich erst in der Kriegszeit ihre Vollendung.

Es waren 1936 Brekers große Figuren "Zehnkämpfer" und "Siegerin", die, geschaffen für die Ausschmückung des Reichssportfeldes in Berlin, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Diese Skulpturen auf dem Reichssportfeld wurden zu Symbolen einer neuen Architektur, die wegweisend für künftige Bauvorhaben stehen und der Weltöffentlichkeit anläßlich der XI. Olympischen Spiele präsentiert werden sollte.

Gleichzeitig erkannte die Parteiführung, die Arno Breker 1937 zum Professor an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin und zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste ernannte, von welch großem Nutzen dieser ideenreiche Bildhauer für ihre propagandistischen Zwecke sein konnte. So wurden ihm gewaltige Projekte offeriert, unter anderem die Mitwirkung an der Neugestaltung der Reichshauptstadt, ein verlockendes Angebot, das so leicht kein junger Mann mit Blick auf berufliche Auf- stiegsmöglichkeiten abgelehnt hätte. Breker griff zu, boten doch die Baumaßnahmen eine Fülle von Möglichkeiten, schöpferisch tätig zu sein, erst recht, da ihm eine gewisse Eigenständigkeit zugebilligt wurde. So entstanden ab November 1938 die Mo- numentalfiguren "Fackelträger" und "Schwertträger" für den Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei, "Bereitschaft" für das geplante Mussolini-Denkmal sowie Reliefs für den "Großen Bogen" und Figuren für den "Führerbau".

Kennzeichend für Brekers Bedeutung für die Staatsführung ist auch der 28. Juni 1940: An jenem Tag begleitete er Hitler auf einer Fahrt durch das besetzte Paris. Wenige Tage später erhielt er anläßlich seines 40. Geburtstages das Goldene Parteiabzeichen. Parteigenosse war er nicht, Beiträge hat er nie bezahlt; Politik hat ihn nur oberflächlich interessiert. Wichtiger war ihm ein möglichst sorgenfreies Schaffen. Das ermöglichte ihm der Landsitz Jäckelsbruch bei Wriezen/Oder mit einem großzügigen Atelier, eine Dotation des "Führers" als Ausdruck der "dankbaren Anerkennung seiner schöpferischen Arbeit im Dienste der deutschen Kunst". Ebenfalls 1940 erhielt Breker als erster bildender Künstler den Mussolini-Preis der Biennale in Venedig.

Einzelausstellungen fanden 1942 im besetzten Paris statt, 1943 in Köln und ein Jahr danach in Potsdam. 1944 erhielt er den Ruf an die Preußische Akademie der Künste als Vorsteher eines Meisterateliers. Bei all diesen Aktivitäten versteht es sich von selbst, daß der Bildhauer auf der Liste der "unersetzlichen Künstler" stand, die eine Freistellung vom Kriegsdienst bedeutete.

Breker stellte sich den Anforderungen seiner Auftraggeber und verzichtete bei der Erfüllung der Staatsaufträge weitgehend auf Empfindungszustände wie Liebe, Melancholie, Glückseligkeit oder Sehnsucht. Vielmehr stand die nackte menschliche Gestalt ohne Gefühlsaussage als überpersönliche Existenz im Vordergrund.

Brekers Motive waren so gewählt, daß die Werke zu aussagekräftigen Symbolen wurden, in denen sich das politische Geschehen im Nationalsozialismus widerspiegelte, das sich wiederum durch ein "neues Lebensgefühl" und eine "neue Weltanschauung" ausdrückte. Sollte der Einzelne in der Masse aufgehen, in riesigen Hallen, auf endlosen Treppen und Gängen und vor übergroßen Denkmälern zur Bedeutungslosigkeit herabsinken, so sollten die Bauwerke auch nach aller menschlichen Existenz Ausdruck und Überbleibsel des von Hitler propagierten "Herrenmenschentums" sein.

Bei allen Annehmlichkeiten, zu denen auch Steuernachlässe und Hono-rarzahlungen in Millionenhöhe gehörten, die ihm zuteil wurden, handelte Breker in unmenschlicher Zeit menschlich, indem er sich für Verfolgte, unter ihnen Pablo Picasso und Peter Suhrkamp, einsetzte.

Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 bedeutete für Breker einen "Abschied von allem Liebgewordenen". Seiner Ateliers und Arbeitsmöglichkeiten beraubt, wurde er nun als Opportunist bezeichnet und verfemt. Zudem waren seine Werke der Pariser Ausstellung beschlagnahmt.

Milder als zunächst vorgesehen wurde der "Michelangelo Deutschlands" (Maillol) von der Spruchkammer Donauwörth 1948 der Gruppe "Mitläufer" zugeordnet. Nach kurzem Aufenthalt in Süddeutschland zog es den Künstler 1949 wieder nach Düsseldorf. Dort widmete sich der wegen seiner Verbindungen zur Elite des Dritten Reiches mißachtete und auf die Rolle des Außenseiters beschränkte Bildhauer zunächst Zeichnungen, Radierungen und Lithographien sowie der Plastik. Der Staat als Mäzen war entfallen, auch bestand in der jungen Bundesrepublik weder Bedarf noch Interesse an monumentalen Bildhauerwerken, dennoch gelang es ihm schnell, wieder Aufträge an Land zu ziehen.

Seit 1955 verwitwet, heiratete Breker 1958 Charlotte Kluge, die heute mit den beiden gemeinsamen Kindern das Erbe des Künstlers verwaltet. Ohne sich stilistisch nennenswert gewandelt zu haben, blieb Breker bis ins hohe Alter hinein schöpferisch tätig. Während die offizielle Kunstszene ihn ignorierte und Ausstellungen in Deutschland nur in privatem Rahmen stattfanden, war er im Ausland ein anerkannter Porträtbildhauer. Modell saßen ihm Jean Cocteau und Jean Marais, Marcel Pagnol, Salvador Dali, porträtiert hat er ebenso Kaiser Haile Selassie wie Anwar el Sadat. Zu seinen deutschen Kunden zählten nicht nur Winifred Wagner, Ernst Jünger oder Hermann Josef Abs, sondern auch prominente Unternehmer wie Gustav Schickedanz, Rudolf August Oetker, Hugo Henkel und Peter Ludwig sowie erfolgreiche Sportler wie Ulrike Meyfarth und Jürgen Hingsen.

Der "umstrittenste Bildhauer Deutschlands", der am 13. Februar 1991 in Düsseldorf verstarb, bekannte rück- blickend, daß die einzige Epoche, in der er glücklich war, die Lehr- und Bohème-Jahre von 1927 bis 1933 in Paris gewesen seien.


 
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