© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Zeitschriftenkritik: Cogito
Demokratische Prinzipien stärken
Werner Olles

Cogito ergo sum. Und in der Tat: Wer denkt, ist – und Sein ist mehr denn je das Gebot der Stunde. Die seit Dezember 1995 leider nur in relativ unregelmäßiger Folge erscheinenden Hefte halten sich jedenfalls an diese Devise. Davon zeugt auch die Themenauswahl, um hier nur einige zu nennen: "Die Selbstzerstörungstendenzen unserer Gesellschaft", "Staatsschutz und Freiheit", "Rechtsstaat auf Abwegen", "Der Kulturverfall", "Die freiwillig gleichgeschaltete Presse in Aktion", "Die Staatsmacht und ihr Verhältnis zur Verfassung", "Bildungsverfall gefährdet unsere Demokratie", "Rechtlosigkeit des Steuerzahlers" und "Die alltägliche Verfolgung" am Beispiel des KOMM-MIT-Verlages und der jungen freiheit.

"Cogito" beschäftigt sich eingehend mit der Diskriminierung und Verfolgung politisch mißliebiger Minderheiten im angeblich "freiesten Staat, der je auf deutschem Boden existiert hat". Die Tatsache, daß es inzwischen wieder möglich ist, mit Hilfe der jährlichen Verfassungsschutzberichte politisch angeblich nicht korrekte Meinungen zu diskreditieren, sagt ja einiges aus über den Stand der Demokratie und Meinungsfreiheit in Deutschland. Noch mehr sagt es jedoch aus über den zweifelhaften Mut und die selektive Moral jener Gralshüter des Grundgesetzes, die zwar bei jedem betrunken irgendwelche dümmlichen Parolen grölenden Skinhead sofort nach härteren Gesetzen rufen, die aber, wenn demokratische rechte oder konservative Meinungen mundtot gemacht werden, in großes Schweigen verfallen.

Ein wichtiges Thema ist auch der Verfall unserer Sprache, den man am Beispiel der Sprache von Jugendlichen sehr gut beobachten kann. Offenbar ist die Schule als eine Institution des Zeitgeistes nicht mehr in der Lage, ihren anvertrauten Schülern außer einer Art alptraumartigen Verbaldeliriums etwas Vernünftiges beizubringen. Wer die trostlose Wörtlichkeit von Sechzehnjährigen beim Klingeln der Handys einmal erlebt hat, fragt sich nur, ob eine deutsche Jugend im Jahre 2000 wirklich schon so alt aussehen muß. "Gute Zeiten – schlechte Zeiten" heißen solche Wirklichkeitssignaturen heimischen Schwachsinns, wenn sie im Fernsehen laufen. Gleiches gilt auch für die Geschlechtserziehung in der Schule, die für die primitive verbale Direktheit – im sozialpädagogischen Neusprech bezeichnet man das als "Power-Charme" – der Kinder verantwortlich ist. Sich mit solcher Unkultur intensiv zu beschäftigen setzt allerdings zwingend voraus, daß man noch ein bißchen jünger und nervenstärker ist, prinzipiell unverdrießlich und vielleicht sogar ein wenig angeheitert.

Cogito konstatiert, daß demokratische Prinzipien hierzulande immer öfter auf der Strecke bleiben. Der Weg zur Einheitsmeinung sei damit nicht mehr weit. Selbständiges Denken bedeute dagegen immer ein Wagnis und anfängliche Unsicherheit. Allerdings habe ein Volk, dem die Bildung abhanden gekommen ist, dazu ganz offensichtlich keine Lust mehr und sei daher bequem zu regieren. Daß es sich damit selbst zum "Stimmvieh" degradiert und sich zudem nach und nach seiner Grundrechte berauben läßt, bemerkt es dann schon gar nicht mehr. Werner Olles

Anschrift: A. Hentschel, Gotenstr. 17, 76307 Karlsbad. "Cogito" erscheint in unregelmäßiger Folge. Der Preis richtet sich nach dem Umfang des Heftes. "Cogito" Online: http://www.argonsoft.de/-cogito 


 
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