© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Existenzgründer: Der Beruf des Privatdetektivs hat wenig Abenteuerliches
Jagd auf Diebe und Ehebrecher
Jutta Winckler-Volz

Detektiv (lat.-engl.): Geheimpolizist; Ermittlungsbeamter; Privatperson (in einigen Ländern mit polizeilicher Lizenz), die berufsmäßig Ermittlungen aller Art anstellt" steht in Dudens Fremdwörterbuch zu lesen, gleich nach "Detaillist: veraltet für Einzelhandelsunternehmer" und vor "Detektor: Hochfrequenzgleichrichter, aber auch: Gerät zur Auffindung von Wasseradern, zum Beispiel Wünschelrute". Das Wortfeld läßt schmunzeln: Die Sprache weiß es noch, hätte der olle Kanne gesagt.

Wie kein zweiter lädt der Beruf des Detektivs zu wilden Spekulationen ein, was es denn mit ihm auf sich habe. Arthur Conan Doyle schuf mit Sherlock Holmes und Dr. Watson unsterbliche Archetypen für einen ganzen Stand. Freilich hat die berufliche Alltagsrealität des Detektivberufs mit den kriminalistischen Mysterien dieses skurrilen Duos kaum etwas zu schaffen. Kaum ein Beruf hat sich mit vergleichbar vielen Klischees herumzuschlagen wie der des auf eigene Rechnung, auf eigenes Risiko arbeitenden Privat-Ermittlers. Indes gleichen die adressbuchnotorischen Spürnasen unserer Tage eher akuraten Buchhaltern, abgeklärten Problemlösern im Dienste ihrer heterogenen Auftraggeber.

Hierzulande kann jeder ein Detektivbüro eröffnen. Quasi von heute auf morgen. Eine geregelte Ausbildung gibt es nach wie vor nicht –ein im überregulierten Deutschland durchaus erstaunlicher Umstand. Mit einem Gewerbeschein des zuständigen Ordnungsamtes kann jeder jederzeit loslegen. Erstausstattung: Handy, Kamera, Nachtglas, Diktaphon, Notizheft und jede Menge Geduld. Gesetzliche Befähigungsnachweise sind nicht erforderlich, denn Detektiv ist nach wie vor kein regulärer Ausbildungsberuf.

"Unsere Arbeit ist vor allem ein Puzzlespiel gründlicher Ermittlungen", sagt Evelin Wippermann, Vizepräsidentin des Bundesverbandes Deutscher Detektive (BDD) in Bonn, auf der Basis von dreißig Jahren Joberfahrung: "So gefährlich wie in Fernsehfilmen ist unsere Arbeit zumeist nicht. Nur wenn es um Millionenbeträge geht, können die Sitten schon mal rauer werden." Josef Riehl, Geschäftsführer des BDD, ergänzt: "Durch den freien Zugang gib es in unserer Branche naturgemäß viele inkompetente, gar unseriöse Personen, die glauben, ohne ernsthafte Arbeit und solide Ausbildung die schnelle Mark kassieren zu können. Dies ist ein Trugschluß!"

Allgemein bekannt ist der Kaufhaus-Detektiv; der Statistik zufolge dürfte ein erklecklicher Teil der hiesigen Konsumbevölkerung, insbesondere deren jüngerer bzw. fremdstämmiger Teil, mit ihm mehr oder weniger hautnahen Kontakt gehabt haben. Wer ein Kaufhaus vor Verlusten durch die Langfinger schützen möchte oder einen Sicherheits- bzw. Wachdienst gründet, muß bestimmte Voraussetzungen erfüllen; die werden ihm dann vom zuständigen Gerwerbe- und Ordnungsamt auferlegt. Eingreifen ist dem Kaufhausdetektiv nur erlaubt, wenn er "eine bestimmte Person in wohlbegründetem Verdacht" hat. "Im vergangenen Jahr konnten unsere Hausdetektive bundesweit rund 52.000 Diebstähle aufdecken", so Elmar Kratz, Pressemann der Karstadt AG in Essen, "trotz elektronischer Hilfen ist der Mensch beim Diebstahlschutz unverzichtbar. Jeder Diebstahl zieht eine Anzeige und sofortiges Hausverbot nach sich. Es kann keine sogenannten Kavaliersdelikte geben. Damit betreibt Rot-Grün eine Erosion des Unrechtsbewußtseins gerade bei jungen Menschen."

Für seriöse Detektive gelten Realschulabschluß und bestandene Berufsausbildung als unerläßliche Voraussetzung zur Ausübung eines Jobs, der Fingerspitzengefühl und Fortune erfordert. "Gute Vorbedingungen für Erfolg sind Erfahrungen im Polizei-, Militär- oder Justizdienst", so Josef Riehl. "Auch wer bei einem Notar oder Rechtsanwalt gearbeitet oder einen kaufmännischen Beruf erlernt hat, bringt gute Eignung mit." Neben den fachlichen Qualifikationen braucht ein guter Privatdetektiv Zuverlässigkeit, Dauerbelastbarkeit, Verschwiegenheit, Geduld und die Fähigkeit, sich in die Lage seines Gegenübers einfühlen zu können. Kombinationsgabe und Umgangsformen sowie Schauspieltalent helfen den Spürnasen bei kniffligen Fällen. Abenteurer und Draufgänger aber sind fehl am Platze.

Der Privatermittler muß sich darüber im Klaren sein, daß er nicht über jene Rechte verfügt, wie sie staatlichen Sicherheitsbehörden zustehen. Er ist kein Polizeibeamter oder Kriminalkommissar. Er hat keinerlei hoheitliche Befugnisse und schon garnicht steht er über dem Gesetz. Rechtskundig muß er sein, der bundesdeutsche Detektiv, und darauf achten, daß er bei seiner mitunter delikaten Tätigkeit nicht selbst mit dem Gesetz in Konflikt gerät; individuelle Grund- und Persönlichkeitsrechte sollten ihm tabu sein.

Der beste Weg, sich diesen Beruf zu erschließen, dürften Einsteiger-Praktika bei etablierten Detekteien sein, womöglich auch teilzeitbeschäftigt oder als Nebenerwerbler bzw. Nebenerwerblerin. "Wer von erfahrenen Kollegen lernt, erarbeitet sich die praktischen Grundlagen für diesen Beruf am schnellsten", so Evelin Wippermann, "denn vom eigenen Büro kann man als Anfänger eh nur träumen. Miete, Büroausstattung, akustisches und optisches Ermittlungsgerät, Kommunikationsmittel, zuverlässige Fahrzeuge und allerlei Vorfinanzierungen summieren sich im Handumdrehen zu einem erheblichen Startkapital. Das aufzubringen dürften die wenigsten in der Lage sein." Und bleibt dann der erträumte Auftragssegen aus, wird unsere Jungdetektei schnell vor einem Schuldenberg stehen. "Wer sich für unser Metier entscheidet, braucht zunächst einmal Durchhaltevermögen. Der Weg zum Erfolg ist erfahrungsgemäß mühsam und lang."

Aufträge für Privat-Ermittler kommen hierzulande zu sechzig Prozent aus Wirtschaftskreisen. Heikle Fälle sind darunter wie Betrug, Untreue, Unterschlagung, Produktpiraterie, Wirtschafts-, näherhin Industriespionage, Diebstahl und Sabotage. "Schöpft ein Unternehmen Verdacht, wird gern eine spezialisierte Privatdetektei eingeschaltet", so Reiner Münker vom Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität in Bad Homburg. "Erst wenn deren Ermittlungsarbeit konkretes Beweismaterial geliefert hat, können wir die Staatsanwaltschaft einschalten. Kein Land wird so gründlich ausspioniert, übrigens gleichermaßen von Freund wie Feind, wie das unsrige. Die Politik sieht dem verlustreichen Treiben seit Jahrzehnten tatenlos zu. Neuerdings nimmt auch die Computer-Kriminalität massiv zu."

Nur etwa zwanzig Prozent der Aufträge gehen auf Anwälte, deren Mandanten oder Privatpersonen zurück. Dabei handelt es sich zumeist um Ehescheidungsangelegenheiten, Schuldnersuche, Aktien-Insidergeschäften, Versicherungsbetrug, Fahrerflucht sowie das Auffinden vermißter, unbekannt verzogener bzw. untergetauchter Personen. Vergleichbare Routinefälle haben die Zeugenermittlung nach Verkehrsunfall oder anderen Rechtsbrüchen zum Gegenstand, auch Erbschaftsangelegenheiten lassen sich zuweilen nicht ohne detektivischen Einsatz voranbringen. Arbeit in Hülle und Fülle für die Holmes und Watsons unserer Tage.

 

Informationen: Bundesverband Deutscher Detektive (BDD), Köhlstraße 16, 53 125 Bonn. Tel.: 0228 / 29 80 85.


 
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