© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/00 21. Juli 2000

 
Verbalstraftaten in Essen
CDU-Ordnungsdezernent steht wegen Äußerungen zum Asylmißbrauch in der Kritik
Thomas Hartenfels

In Essen steht seit einiger Zeit der CDU-Ordnungsdezernent Ludger Hinsen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Schuld daran ist der Aufruhr um seine Äußerungen zur Problematik der rund 5.000 in Essen lebenden angeblichen Libanesen; angeblich deshalb, weil die Nationalitätenfrage bei mindestens 2.000 der Asylbewerber ungeklärt ist. Bei 820 von ihnen stellte Hinsen "zweifelsfrei" Betrugsfälle fest, da sich Türken und Syrer ohne Asylanspruch als Libanesen ausgaben. Der finanzielle Schaden für die Stadt beläuft sich auf rund zwölf Millionen Mark jährlich.

Indem Hinsen diesen hundertfachen Asylbetrug anspricht, verstößt er aber gegen die Integrationsstrategie der Stadt. Als 1998 die Integration der Ausländer in Essen beschlossen wurde, wurden zwar zwei Mitarbeiter der Stadt zur Untersuchung von Mißbrauchsfällen abgestellt, jedoch sollten deren Ergebnisse nicht "an die große Glocke" gehängt werden, um die Integration nicht unnötig zu erschweren. Am Rande einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses im Rathaus soll Hinsen schließlich in einer Diskussion der Kragen geplatzt sein und er soll gesagt haben, er wolle die fraglichen Asylbetrüger mit "allen Mitteln" abschieben – "und wenn wir sie mit dem Flugzeug abwerfen".

SPD-Fraktionschef Willi Nowack fordert den Oberbürgermeister daraufhin zu Disziplinarmaßnahmen gegen Hinsen auf. Die PDS-Ratsfrau Gabriele Giesecke bezeichnet die angeblichen Äußerungen Hinsens als "zutiefst menschenverachtend" und legte Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Grünen-Sprecher Mehrdad Mostofizadeh sieht die Asylbewerber bereits als "Bevölkerungsgruppe" an, die Hinsen "zum Objekt staatlichen Handelns degradieren will", und stellte Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen denRechts- und Ordnungsdezernenten.

Derart unter Beschuß geraten, erhält Hinsen dennoch Rückendeckung aus seiner Partei. Neben Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger und der CDU-Fraktion unterstützt ihn auch die JU Essen und bezeichnet seinen Vorstoß als "weitgehend sinnvoll und geboten". Allerdings wünschen sich auch die Parteikollegen von Hinsen in Zukunft "sprachlich eine besonders sensible Handhabung" des Themas.


 
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