© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/00 21. Juli 2000

 
Mehr als nur Naturschutz
Ökologie: 25 Jahre Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND)
Charles Brant

Am 20. Juli 1975 gründeten Einzelpersonen und eine "Gruppe Ökologie" um den Verhaltensforscher Konrad Lorenz den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) – kurioserweise gab es neben diesem heute als offiziell geltenden Gründungstermin bereits im Mai eine Gründungsversammlung, bei der Professor Bernhard Grzimek zum Vorsitzenden gewählt wurde. Erster offizieller Vorsitzender des Verbandes wurde im Juli der Mediziner Bodo Manstein. 22 Unterschriften zieren das Gründungsprotokoll.

Der Name "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland" ist Programm. Gab es seit Ende des 19. Jahrhunderts bereits Naturschutzvereinigungen, vornean den Bund für Vogelschutz, der heute Naturschutzbund (NABU) heißt, so trägt der BUND neben dem als klassisch geltenden Naturschutz auch den Umweltschutz im Namen. Der Begriff "Umweltschutz" machte erst in den siebziger Jahren Karriere und ist inhaltlich in erster Linie definiert durch technische Maßnahmen, um Schäden an der Umwelt zu begrenzen, zu beseitigen oder ihnen vorzubeugen. Beispiele für Umweltschutz sind der Bau von Kläranlagen und Abgasreinigungsanlagen, wie auch die Förderung des öffentlichen Personnennahverkehrs mit dem Ziel, den sogenannten Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen zu verringern. Der Naturschutz hat unterdessen mehr den Schutz der Lebenswelt von Tieren und Pflanzen zum Inhalt und betreibt die Pflege und Ausweitung von Naturschutzgebieten. Eine moderne und ganzheitliche Auffassung von Naturschutz sieht mehr die Notwendigkeit eines "Ökosystemschutzes", weil die klassischen Naturschutzmaßnahmen nur begrenzte Erfolge vorzuweisen hatten und auch recht elitär meist nur einige vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen zugedacht war. Ausgehend vom "Ökosystem" steht beim ganzheitlich verstandenenen Naturschutz allgemeiner die Einheit der Lebensgemeinschaft von Tier- und Pflanzen mit ihrem Lebensraum im Zentrum des Interesses.

Mit dem Ökosystemgedanken setzte sich die Einsicht durch, daß der Mensch ebenso bedroht ist wie die restliche Natur. Dieser Einsicht ist der Umweltschutz verpflichtet, während der Naturschutz auch in seiner ganzheitlichen Variante noch immer einen stärkeren Bezug zu klassischen Biotopschutzmaßnahmen und der Erstellung von Listen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten aufweist.

Die Heraufkunft des Umwelschutzes und des Umweltschutzverbandes BUND in den siebziger Jahren bedeutete die Grüne Aktion Zukunft (GAZ), die vorübergehend in die Grünen, deren erster Sprecher Herbert Gruhl wurde, aufging.

Bis 1983 war der Wissenschaftler Gerhard Thielke Bundesvorsitzender des BUND, dann Hubert Weinzierl. In der Zeit von 1983 bis 1989 stieg die Mitgliederzahl von 80.000 auf 160.000 an. Durch den Aufbau der Geschäftsstelle in Bonn und die Besetzung mit Fachleuten wurde der BUND als kompetenter Ansprechpartner in Umweltfragen auch in den Medien immer häufiger zitiert und immer bekannter.

Die Wiedervereinigung Deutschlands Ende 1989 brachte auch für den BUND wichtige Veränderungen mit sich. Nach und nach gründeten sich 1990 Landesverbände in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg und Sachsen-Anhalt. Dennoch stellen allein die Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg rund die Hälfte der Mitglieder im ganzen Bundes-
gebiet.

Nach wie vor startet der BUND Kampagnen zum Schutz von Tieren und Pflanzen und gegen die Vergiftung der Umwelt, und sei es in den Kleingärten. In der Öffentlichkeitswirkung trat der BUND unter Angelika Zahrnt, die vor wenigen Jahren Hubert Weinzierl ab-löste, mit Beiträgen zur Nachhaltigkeitsdiskussion hervor. Zahrnt ist Mitautorin der vom BUND und Miserior 1995 unter Mitwirkung des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie herausgegebenen Studie "Zukunftsfähiges Deutschland". Energiesparende Techniken sollen mit einer genügsamen Lebensweise verknüpft werden, lautet die Quintessenz der Studie. Die Vorstellung von Zukunftsfähigkeit dürften die betreffenden Menschen, die ihren Lebensstil ändern sollen, allerdings als zu sehr von oben aufgesetzt empfinden, bemängelten Kritiker an dem Entwurf eines "zukunftsfähigen Deutschlands".

Zuletzt traten Vertreter des BUND medienwirksam bei Parteitagen der Grünen in Erscheinung, um vor Ort Delegierte gegen die bestehenden "Atomausstiegspläne" der Bundesregierung zu mobilisieren. Mit der Regierungsbeteiligung der Grünen ist der Abstand zwischen Partei und BUND deutlich gewachsen. Dies wirft die Frage nach dem Stellenwert des Umwelt- und Naturschutzes auf seiten der Grünen und nach der politischen Umsetzung von ökologischen Ansprüchen auf seiten des BUND auf.


 
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