© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/00 28. Juli / 04. August 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Frankfurter Unwissenheit
Carl Gustaf Ströhm

Die FAZ - vor Jahren wegen ihrer soliden Osteuropa-Berichterstattung geschätzt - brachte am 20. Juli einen Bericht aus Brüssel: "Kroatien rückt näher an die EU". Der Name des kroatischen Präsidenten Stipe Mesic wird darin konsequent falsch geschrieben: Es ist von einem "Mesiy" die Rede, der "in Brüssel mit offenen Armen empfangen wurde."

Wenn Lokalzeitungsredakteure nicht wissen, wie sich europäische Präsidenten schreiben, dann mag man es noch nachsehen. Wenn das aber "Edel-Blättern" passiert, ist das entweder ein Symptom bildungspolitischen Abstiegs oder totaler Interessenlosigkeit.

In der gleichen FAZ-Ausgabe meldete sich aber auch ein alter "FAZ-Hase" und Kenner des Südostens zu Wort: Viktor Meier. Sein Auftritt mit einem umfangreichen Grundsatzartikel zum Thema Serbien und Ex-Jugoslawien war umso überraschender, als sich Meier bereits seit einigen Jahren im Ruhestand befindet und das Feld jüngeren Kollegen überlassen hat. Meier geht scharf mit der westlichen Balkan-Politik ins Gericht und beschuldigt die EU-Politiker, sie seien immer noch im "Serbozentrismus" befangen: das heißt, Serbien soll möglichst geschont und vielleicht sogar "Jugoslawien" in irgendeiner Form wiederhergestellt werden.

Die vom französischen Staatspräsidenten Chirac "erfundene" Idee einer Konferenz aller Staaten des ehemaligen Jugoslawien (eine Art "Balkan-Konferenz") in der kroatischen Hauptstadt Zagreb sei, so Meier, in Slowenien mit "hellem Entsetzen" aufgenommen worden. (siehe JF 30/00)

Der einstige FAZ-Südostkorrespondent attackiert den außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Karl Lamers, weil dieser "Verdrehungen" und "Kuriositäten" über die Südost-Lage verbreite - etwa wenn er behaupte, den Serben (also der serbischen Minderheit) innerhalb Kroatiens sei das "Selbstbestimmungsrecht" verweigert worden - was niemals zur Debatte stand - oder wenn Lamers erkläre, die umstrittene Stadt Kosovska Mitrovica habe früher nicht zum Kosovo gehört, sondern sei erst von Tito der albanisch besiedelten Provinz angegliedert worden, was gleichfalls falsch ist. Meier spricht von einer "verheerenden Gleichsetzung" Jugoslawiens und Serbiens durch die westeuropäische Politik. Er diagnostiziert in den Memoiren der prominenten Balkan-Unterhändler Holbrooke (USA) und Lord Owen (Großbritannien) unverhohlene Bewunderung für Milosevic. Fazit Meiers: "Die Idee, daß Serbien, mit oder ohne Milosevic, stets die führende Regionalmacht im früheren jugoslawischen Raum und sogar darüber hinaus sein werde", sei einer der wichtigsten Beweggründe westlicher Balkanpolitik. Der "Stabilitätspakt" für den Balkan habe sich in eine "einseitige Agentur" für den Wiederaufbau Serbiens verwandelt. Im Kosovo interessierten sich die internationalen Emissäre mehr für das Wohlergehen der Serben als für die Albaner.

Es ist bezeichnend, daß erst einer von der "alten Garde" kommen mußte, um Öffentlichkeit und Politiker auf die Ungereimtheiten des westlichen Südost-Konzepts aufmerksam zu machen.

Allerdings, auch Meier verfällt dann der von ihm mit Recht kritisierten Inkonsequenz: Er versetzt dem verstorbenen kroatischen präsidenten Tudjman posthum noch einen Fußtritt, weil dieser eine "unmögliche" Politik verfolgt habe. Die "Unmöglichkeit" dieser Politik bestand gerade darin, daß Tudjman verhindern wollte, was Meier jetzt in der FAZ anprangert. Deshalb mußte das Tudjman-Konzept zu Fall gebracht werden - und so geschah es auch.


 
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