© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/00 11. August 2000

 
"Kampagne gegen rechts"
Die Angst vor dem Vakuum
Hans-Helmuth Knütter

Seit Wochen vermitteln die Medien noch stärker als sonst den Eindruck, als lebten wir im Jahre 1932, kurz vor der NS-Machtergreifung. Kein wichtigeres innenpolitisches Thema als die Gefahr von rechts und den einmütigen Kampf dagegen scheint es zu geben. Im Juni verabschiedete der Bundestag eine "Erklärung gegen den Rechtsextremismus", und alle Fraktionen haben mitgemacht. Nicht nur Rot-Grün, für die der Antifaschismus mangels anderer Gemeinsamkeiten als letztes dürftiges Integrationsmittel dient. Auch die FDP, ausgerechnet die Partei, die 1953 wegen angeblicher NS-Unterwanderung durch eine Gruppe ehemaliger Gauleiter unter Anführung des ehemaligen Goebbels-Staatssekretärs Naumann knapp an einem Verbot durch die britischen Besatzer vorbeikam. Sie und die CDU halten es genau wie die Linken für nötig, den "westlichen Freunden und Verbündeten" zu zeigen: Wir sind brav. Alle Regungen, die sich gegen Fremdbestimmung wehren, unterdrücken wir.

Warum wenden sich die Bevölkerungsvertreter und ihre Lohnschreiber nicht gleichermaßen gegen Links wie gegen Rechts? Bei Rot-Grün ist die Sache klar. Sie brauchen die "faschistische Gefahr" wie das tägliche Brot, weil sie – desorientiert, richtungslos und ohne Konzept – nur durch ein Feindbild zusammengehalten werden. Aber warum machen die CDU/CSU und die FDP mit? Aus dem gleichen Grunde, der den (angeblichen) Rechten Aznar, derzeit spanischer Ministerpräsident, und den (sogenannten) Konservativen Chirac veranlaßt, sich an der sozialistischen Kampagne gegen das ÖVP/FPÖ-regierte Österreich zu beteiligen. Sie spüren, daß es überall in der Bevölkerung einen Affekt gegen alle Parteien gibt, also auch die sogenannten bürgerlichen, konservativen, christlichen oder wie sie sich sonst nennen, um eine Abgrenzung zu den Leftisten vorzutäuschen. Sie spüren, daß es rechts von ihnen ein Vakuum gibt, deshalb die hemmungs- und schamlose Volksverhetzung ("Ausgrenzung") gegen Patrioten. Macht- und Posteninteresse ist das wahre Motiv der antipatriotischen Hetze.

Was tun? Resigniert könnte man sagen: Die Mehrheit der Bevölkerung hat es nicht anders gewollt. Schließlich hat sie die heutigen Pfründeninhaber in ihre Positionen gewählt. Und da der Freßnapf voll und die Behaglichkeit noch garantiert ist, Verdummung und Spiele vom Fernsehen frei Haus geliefert werden – warum sollte man etwas ändern?

Immerhin: Am Horizont ziehen Wolken auf. Soziale Sicherheit, Renten, Wohlstand – man ahnt: So wie es ist, bleibt es nicht. Die patriotische Rechte allerdings ist ein Retter, der in seinem gegenwärtigen Zustand nichts und niemanden retten wird. Doch wir leben in wendereicher Zeit. Noch Anfang 1989 hätte niemand das baldige Ende des gewaltigen, bedrohlichen Ostblocks und der DDR mit ihrem furchterregenden Spitzelwesen erwartet. So gesehen hat das Establishment sogar recht, die vor der Geschichte abgetakelten Linke nicht, die derzeit desolaten und einflußlosen Patrioten aber sehr wohl zu fürchten.


 
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