© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/00 11. August 2000

 
Junge Schläger prügeln auf "Alte Herren" ein
Linksextremismus: Anschläge auf Bonner Studentenverbindungen dienen dem "Kampf gegen Rechts"
Alexander Schmidt

In den vergangenen Jahren und Mo naten sind immer wieder studentische Verbindungen, darunter in vielen Fällen Burschenschaften, Ziel von Anschlägen geworden. Jetzt fand in Bonn eine Serie von Anschlägen statt, die über das bekannte Maß hinausging.

Innerhalb weniger Wochen wurden bei den christlichen Verbindungen Sigfriedia und Stauffia ebenso wie bei der Burschenschaften Alemannia und Rheno-Germania und den Raczeks Scheiben eingeworfen. An dem Haus der Tuiskonen entzündete sich ein Mülleimer. Hierbei geht die Polizei jedoch davon aus, daß es sich nicht um vorsätzliche Brandstiftung handelte. Den meisten Bonner Studenten ist allerdings noch in Erinnerung, daß in der letzten Semesterwoche des Sommersemesters ein Mülleimer in den Hauseingang des RCDS-Büros gezogen und angezündet wurde. Weiterhin wurde ein 71jähriges Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks von fünf vermummten Schlägern auf dem Heimweg von einem Kommers angegriffen und mit einer Glasflasche so schwer am Kopf verletzt, daß er in ein Krankenhaus gebracht werden mußte. Zuletzt beobachtete ein Verbindungsstudent eine unbekannte Person, die in der Bonner Südstadt vermeintliche und tatsächliche Verbindungshäuser anlief und dort die Türschilder studierte. Im Gespräch mit der JUNGE FREIHEIT sagte ein Sprecher der Bonner Polizei, daß der Staatsschutz in allen Fällen die Ermittlungen übernommen habe, da es sich um politische Straftaten handle. Von einer Anschlagswelle will man aber noch nicht sprechen, es komme immer wieder zu Sachbeschädigungen an Häusern.

Neu sei die Tatsache, daß innerhalb einer Nacht an zwei Verbindungshäusern Schäden verursacht wurden. Ermittlungsergebnisse liegen zur Zeit aber noch nicht vor, die Aufklärungsquote bei diesen Straftaten ist nicht nicht besonders hoch. Daher wird den Verbindungen geraten, Vorbeugemaßnahmen zu treffen, um so Schlimmeres verhindern zu können. Gleichzeitig warnt die Polzei aber davor, die Bedrohung durch die linksradikale Szene überzubewerten, in der Relation gesehen, passiere Verbindungshäusern wenig.

Spekulationen zufolge kommen die Täter aus dem Umfeld des Allgemeinen Studentenausschusses, da jeder Straftat das Erscheinen einzelner Ausgaben der Zeitung basta, dem Organ der Allgemeinen Studentenvertretung (AStA), mit Verbindungs- sowie RCDS-kritischen Beiträgen vorausging.

Ob die einzelnen Angriffe tatsächlich nur aus der Laune einiger fehlgeleiteter Radikaler entstammen, ist nicht endgültig geklärt, denn einige Faktoren führen zu einer Verunsicherung. Wie in vielen vorausgegangenen Fällen auch fanden die Angriffe in den Semesterferien statt, in denen erwartungsgemäß wenig Betrieb auf Verbindungshäusern herrscht. Das spricht aus der Sicht einiger Betroffener für koordinierte Aktionen. Neu ist allerdings der Umstand, daß viele Verbindungen aufgesucht wurden, die unpolitisch bis liberal sind. Mit der Burschenschaft Alemannia ist ein Bund aus der Neuen Deutschen Burschenschaft getroffen worden, der noch nicht einmal der Verbindungsreader des AStA etwas anlasten konnte.

So bekommt die erste Strophe eines Studentenliedes, in der die schöne, alte, aber leider vergangene Studienzeit besungen wird, auch in der Rheinprovinz eine neue Bedeutung. Denn zumindest für die nächste Zeit wird bei vielen ein zu schlechtes Gefühl mitschwingen, um unbefangen mit dem Band um die Brust von Haus zu Haus zu bummeln, wie es ein alter Brauch ist.


 
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