© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/00 11. August 2000

 
UMWELT
Big Brother watches Braunau am Inn
Carl Gustaf Ströhm

Das oberösterreichische Brau nau am Inn kam jetzt aus einem anderen Grund ins Gerede: Es ging um die Mülltrennung.

Diese wird auch in Österreich mit "preußischer Gründlichkeit" durchgeführt. Da werden die Bürger angehalten, den Biomüll von den Dosen, die Joghurtbecher von den Bierflaschen, ja unter den leeren Flaschen dann noch Bunt- von Weißglas zu trennen. Die Zeiten, da die Müllabfuhr ihrem Namen gerecht wurde und den gesamten Müll vor der Haustür abholte, sind längst vorbei. Der Bürger darf heute nur noch den "Restmüll" in die Tonne stecken, ansonsten muß er alles brav trennen und an festgelegten Sammelstellen in die verschiedenen Container werfen.

In Braunau – aber möglicherweise nicht nur dort – durchbrechen einige Müllsünder die Müllordnung, indem sie (wer wird es schon merken) Konservendosen in den Altpapierbehälter, Joghurtbecher zum Buntglas und verfaulte Tomaten zu den Koservendosen warfen. Das Ergebnis war ein totales Chaos: Statt Mülltrennung gab es plötzlich Müllvereinigung. Die Stadtväter aber wußten Rat. Wie in George Orwells "1984" installierten sie Überwachungskameras, mit denen jeder müllabliefernde Bürger an der Sammelstelle gefilmt wird. Anhand der Autokennzeichen ist es dann nicht schwer, jene zu erwischen, die es wagten – aus Faulheit oder Wut – leere Flaschen ins Altpapier und Plastik zu den Blechdosen zu werfen. Wer sich so der Mülltrennung verweigert, muß jetzt mit Strafen von tausend Schilling rechnen.

O, schöne neue Mülltrennungs-Welt! Dennoch bleibt ein leichtes Unbehagen zurück – denn wer heute die Mülltrennung elektronisch überwacht, könnte morgen auch auf andere Ideen kommen. Welch seltsamer Spagat: hier der "freieste Staat" aller Zeiten – und dort die rigoroseste Kontrolle des Mülls. Carl Gustaf Ströhm


 
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