© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Putin unter Druck
von Michael Wiesberg

Erneut ist mitten in Moskau, auf dem Puschkin-Platz, eine Bombe hochgegangen. Bisherige Bilanz: Zwölf Tote und unzählige Ver-letzte. Putins Reputation als "starker Mann" ist gefährdet: Die Bombe explodierte knapp zwei Kilometer vom Kreml entfernt.

Wie vor einem Jahr werden die Drahtzieher des Attentats in Tschetschenien vermutet. Und auch diesmal ist damit zu rechnen, daß Putin den Anschlag zum Anlaß dafür nehmen wird, die militärischen Anstrengungen im Kriegsgebiet zu verschärfen. Doch einiges spricht gegen die "tschetschenische These": einmal die Bauart der Bombe. Russische Zeitungen berichteten, daß die Bombe ohne Metallummantelung gewesen sei, was bei tschetschenischen Gruppen unüblich sei. Schon vor einem Jahr wurde gemutmaßt, daß die Täter ganz woanders zu orten sind: beim Staat, beim Geheimdienst. Hintergrund: Damals wie heute mußten die Russen "kriegsbereit" gestimmt werden. Dies gilt mehr denn je, zieht sich der doch Abnutzungskrieg in Tschetschenien mehr und mehr in die Länge. Aber auch Mafia-Kreise kämen als Täter in Betracht. Der Moskauer Kleinhandel ist ein lukratives Geschäft, und die einträglichsten Standorte sind hart umkämpft. Für diese These spricht, daß die Bombe in unmittelbarer Nähe eines Kosmetikkiosks gezündet wurde. Daß der russische Hauptermittler ein Spezialist für Wirtschaftsverbrechen ist, ist ein Hinweis darauf, daß in Regierungskreisen, allen anderen Mutmaßungen zum Trotz, von einem Anschlag eines russischen Mafia-Clans ausgegangen wird.


 
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